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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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waren.
    Obgleich die Mägde während ihres Dienstes für Fatime kaum Zeit hatten, sich umzusehen, erhaschte Annalena doch den einen oder anderen Anblick, der sie staunen ließ. Besonderen Eindruck machte auf sie der Steinsaal, der an einer Seite mit zwei Reihen hoher Fenster ausgestattet war, durch die der Saal nachmittags von Licht durchflutet wurde. Natürlich nur, sofern die Sonne schien. An den weißen Wänden hingen zahlreiche Geweihe, eines größer als das andere. Das Prachtstück unter ihnen hatte 22 Enden.
    Die Gemächer der Damen waren schlichter als in Dresden, aber ebenfalls hell und mit großen Kaminen ausgestattet, die zwar ihre Zeit brauchten, um anzuheizen, doch wenn das Feuer endlich in ihnen flackerte, erwärmte sich die Luft und machte die zugigen Räume angenehmer.
    Das Quartier der Mägde, das sie sich wie zuvor schon die Kutsche mit den zwei Kammerzofen teilen mussten, war hingegen besser als im Dresdner Schloss. Es war ehemals eine herrschaftliche Stube, der momentan kein rechter Zweck zugeordnet werden konnte, und so überließ man sie entweder Gästen oder dem Personal der Mätresse.
    »Was ist mit dir, hast du Angst, wir könnten dir etwas abschauen?«, fragte Maria plötzlich, als Annalena abends an die einzige Waschschüssel trat und nicht ihr Hemd herunterzog wie die anderen.
    Es war das erste Mal, dass etwas zu ihrer Angewohnheit gesagt wurde. Annalena durchzog es heiß und kalt, während sie wünschte, dass Maria sie einfach weiterhin ignoriert hätte. »Mir geht es nicht gut, ich glaube, ich habe mir vom Windzug etwas eingefangen«, antwortete Annalena schnell und hoffte, dass die anderen diese Erklärung akzeptierten.
    »Nun, hier sind die Fenster dicht«, fuhr Maria fort. Ihrem Tonfall war nicht zu entnehmen, ob sie scherzte oder nicht.
    Annalena zwang sich, ruhig zu bleiben. »Zum Glück! Sonst würde ich womöglich morgen Fieber haben.«
    Auf ihre Worte rückten die beiden Zofen, die am Fenster standen und sich die Haare bürsteten, ein Stück von ihr ab. Sie hatten offenbar Respekt vor Fieber jedweder Art. Doch was war mit Maria? Sie funkelte sie beinahe angriffslustig an.
    »Nun gut, tu was du willst«, sagte sie nach einer Weile, und erst jetzt bemerkte Annalena, dass sie mit dem Waschen innegehalten hatte. »Wenn du mit nassem Hemd schlafen willst, ist das deine Sache. Aber ich glaube kaum, dass es deiner Gesundheit zuträglich ist.« Damit wandte Maria sich ab. Sie hockte sich auf ihren Strohsack und kramte in ihrem Bündel, doch Annalena, die ihre Wäsche fortsetzte, meinte, immer wieder Marias Blick auf sich zu spüren. Ahnte sie etwas? Hatte sie vielleicht sogar etwas gesehen, was sie nicht sehen sollte?
    Annalena entschied sich abzuwarten. Immerhin war es möglich, dass Marias Frage ganz harmlos gemeint gewesen war. Und sie wollte hier ja auch nicht für immer bleiben. Wenn Johann bei mir ist, sagte sie sich, werden wir Dresden verlassen. Auf dem verborgenen Gehöft im Wald würde uns kein König der Welt finden.

    Am nächsten Morgen schickte sich der Kurfürst an, zur Jagd aufzubrechen. Aus diesem Grund hatte er Fatimes Gemächer bereits sehr früh in der Nacht verlassen. Aufgeregtes Hundegebell übertönte die morgendliche Betriebsamkeit, die Tiere, die die ganze Zeit über in ihren Zwingern hatten verharren müssen, zerrten nun ungeduldig an ihren Leinen. Die Falkner hatten Anweisung bekommen, des Kurfürsten beste Falken vorzubereiten, und die Rufe der Raubvögel mischten sich schrill unter das Gebell.
    Doch nicht nur für den Jagdmeister und seine Gehilfen war die Nacht früh vorüber, auch die Damen verließen schon zeitig das Bett, um den edlen Herren und vor allem Ihrer Majestät Glück zu wünschen. Von den Mägden wurde erwartet, dass sie noch früher als ihre Herrschaft wach waren, um warmes Wasser zum Waschen zu holen und Pantoffeln und Kleider am Ofen vorzuwärmen. Das Wetter schien noch kälter geworden zu sein, selbst die lodernden Kaminfeuer schickten bestenfalls einen lauwarmen Hauch durch die Gemächer.
    Annalena spürte ihre Narben noch schmerzhafter als sonst, als sie sich von ihrem Strohsack erhob. Sie musste sich sehr beherrschen, angesichts des vertrauten und doch schon lange nicht mehr in dieser Stärke verspürten Ziehens nicht aufzustöhnen. Immerhin gab Maria Ruhe und sprach sie nicht mehr auf irgendwelche Eigenheiten an. Soweit sie es beurteilen konnte, saß ihr Hemd, das sie am Abend höher als sonst geschlossen hatte, noch so, wie es sein

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