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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Tatsächlich war das Mädchen so sehr mit ihrem Mieder beschäftigt, dass sie ihn nicht gleich bemerkte. Erst, als er dicht neben ihr stand, blickte sie auf. Braune Augen, die falsche Farbe. Das schwarze Haar müsste ihr also auch über die Augen fallen.
    »Hallo, mein Großer, kommen wir ins Geschäft?«, fragte sie und nahm ihre Hände von der Schnürung. Es würde sich nicht lohnen, sie zu schließen, wenn gleich jemand Neues zu ihr wollte.
    »Wie ist dein Name?«
    Die Frau reckte ihren Busen hervor, warf das Haar nach hinten und lächelte ihr falsches Hurenlächeln. »Lisa. Egal, welchen Wunsch du hast, ich erfülle ihn dir.«
    Mertens grinste. Er hatte die Daumen in seinen Gürtel gehakt, spürte das Leder und fragte sich, welches Geräusch es wohl auf der Haut der Hure machen würde. »Dann sind wir im Geschäft«, sagte er und reichte ihr die Hand. Ihre Haut fühlte sich weich an, vielleicht ein wenig zu weich für seine Zwecke, doch das war eher ihr Problem als seines.
    Nachdem sie einen Lohn für ihre Dienste ausgemacht hatten, führte er sie nach draußen, fort von den Ecken, in denen die anderen zugange waren, bis sie ein einsames, dunkles Plätzchen fanden. Als er schließlich den Gürtel von seinem Wams zog, durchströmte ihn das Gefühl einer unendlich großen Macht. Wenn ich dich erst mal in die Finger bekomme, Anna, werde ich keine Gnade haben, dachte er, während sich sein Blick auf die Hure richtete, die ihre Röcke raffte.

Fünftes Buch Krähenweisheit
    Dresden, Winter 1701
    20. Kapitel
    A us den geheimen Aufzeichnungen des Johann Friedrich Böttger:
    Endlich ist mir ein bisschen Zeit vergönnt, um die Ereignisse der vergangenen Tage niederzuschreiben. Ich muss mich beeilen und darf auch nicht weit ausschweifen, denn jeden Moment könnte ich gestört werden.
    Ich habe einen Bewacher erhalten, einen Hüttenmeister namens Pabst von Ohain. Er scheint mir ein umgänglicher Mann zu sein, dennoch hat er die strikte Order, mich nicht aus den Augen zu lassen. Nur selten, wie in diesem Moment, verlässt er den Raum, um irgendwelche Dinge zu regeln. So nutze ich die Zeit, um zu schreiben.
    Nachdem ich gestern den Kurfürsten traf – ohne Zweifel ein imposanter Mann – und er mir unmissverständlich klargemacht hat, dass ich ihm Gold schaffen soll, wurde ich bei Nacht und Nebel nach Dresden gebracht. Meine Ankunft hier gestaltete sich sehr abenteuerlich. Nachdem die Kutsche vor der Festung haltgemacht hatte, führte man mich durch einen geheimen Gang, der direkt unter dem Schloss endete. Der Marsch dauerte eine ganze Weile und die Luft dort unten war so stickig, dass man meinte, das Gas regelrecht greifen zu können.
    Immer wieder versicherte man mir, dass dieses Vorgehen nur zu meinem eigenen Wohl geschehe, und daran habe ich auch keinen Zweifel. Ich bin dem Kurfürsten lieb und teuer, er will mich nicht verlieren, und schon gar nicht an die Preußen. Das hat mich jetzt sogar meinen Namen gekostet. Ich soll Anonymus sein, mein Name soll nicht einmal mehr ausgesprochen werden, damit die Kunde von meiner Anwesenheit nicht durch unliebsame Lauscher weitergetragen wird. Denn wenn die Preußen nichts mehr über mich erfahren, können sie dem Lande Sachsen meinetwegen auch keine Ungemach bereiten.
    Was soll ich sagen, es ist mir recht, dass mich die Preußen nicht finden können. Doch es schnürt mir die Kehle zu, wenn ich daran denke, dass es auch allen anderen unmöglich sein wird, mich zu finden. Wenn Kunckel auf dem Weg zu mir ist, wird er ins Leere laufen. Wenn A. nach mir sucht, wird sie mich nicht finden. Ich weiß nicht, ob ich hoffen kann, sie je wiederzusehen. Ja, ich weiß ja nicht einmal, ob ich einen neuen Frühling erleben werde. Alles, was ich tun kann, ist beten und auf meinen Verstand setzen.
    Man hat mir einen Raum im Schloss zugewiesen. Er ist nicht klein wie eine Kammer, aber auch kein Saal. Etwas dazwischen würde es treffen, Stube nennen kann man es allerdings nicht, denn dazu fehlt es an Gemütlichkeit. Ich teile mir diesen Raum mit Pabst, der stets bei mir ist. Natürlich versteht es sich von selbst, dass vor der Tür eine Wache postiert ist und dass man die Fenster nicht öffnen kann, obwohl der Raum dringend Frischluft benötigt. Aber immerhin ist es besser als eine Kerkerzelle.
    Es wird noch eine Weile dauern, bis meine Sachen hier eintreffen, und solange werde ich mein Experiment planen. Im Futter meiner Weste befinden sich noch einige Dukaten, aus denen ließe sich etwas machen.

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