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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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sie sich damit begnügen, dass sie nur mit kleinen Hüpfern springen konnte.
    Doch auch mit kleinen Sprüngen konnte man an sein Ziel gelangen. Der Leuchter auf dem Tisch wackelte, als die Bodenbretter unter ihren Sprüngen bebten, doch er fand immer wieder in seine ursprüngliche Position zurück. Annalena spürte, wie sich Schweiß unter ihrem Hemd und auf ihrer Stirn bildete. Ihre Narben kribbelten unter dem Film, der sich auf ihre Haut legte. Doch schließlich hatte sie es geschafft. Sie war dem Tisch so nahe, dass sie die Kerze erreichen konnte.
    Die Flamme war inzwischen etwas länger geworden, ein Zeichen dafür, dass sie schon bald aufgebraucht sein würde. Annalena hatte keine Ahnung, wie viel Zeit inzwischen vergangen war, aber es musste ziemlich lange gedauert haben, bis sie sich endlich in die richtige Position gebracht hatte.
    Immerhin bot der kurze Kerzenstummel den Vorteil, dass er nicht umkippen konnte. Annalena streckte die Arme nach hinten und biss die Zähne zusammen, als ihre Gelenke und Sehnen unter der Belastung protestierten. Sie schloss die Augen, versuchte, die Wärme der Kerze zu erfühlen. Als sie mit dem Handgelenk die Flamme berührte, wimmerte Annalena leise auf und biss die Zähne auf dem Knebel zusammen. Sie versuchte, das Seil genau über die Kerze zu halten, und nachdem sie sich ein weiteres Mal verletzt hatte, erfasste die Flamme endlich das Seil und brannte es durch.
    Die Schlingen lockerten sich und Annalena gelang es nun, sich von ihnen zu befreien. Die Brandwunden schmerzten, als würde die Flamme noch immer auf ihnen brennen, doch Annalena achtete nicht darauf. Bei Mertens hatte sie schlimmere Dinge aushalten müssen, und wenn sie sich nicht schnellstens befreite, würde sie mit aller Wahrscheinlichkeit auch heute noch sehr viel Schlimmeres erleiden.
    Jetzt, wo sie die Hände frei hatte, war das Lösen des Knebels und der Seile um Taille und Beine kein schwieriges Unterfangen mehr. Schon wenig später konnte sie sich von dem Stuhl erheben. Die Kerze verlosch unterdessen, und Annalena erschauerte kurz, doch dann schob sie jeden Gedanken daran, was sie hätte tun sollen, wenn das schon vorher geschehen wäre, resolut zur Seite.
    Da sie wusste, dass die Tür verschlossen war, strebte sie dem Fenster zu. Sie hatte immer noch Angst, doch konzentrierte sie sich entschlossen auf die Aufgabe vor ihr. Den Krähen bindet niemand die Flügel zusammen! Und selbst, wenn man sie fängt, flattern sie irgendwann aus dem Fenster davon.
    Da sie sich im ersten Stockwerk befand, war der Fall nach unten nicht besonders tief, dennoch bestand die Gefahr, dass sie sich den Knöchel umknickte, wenn sie falsch aufkam. Da Annalena ihre Beine noch brauchte, ließ sie ihren Blick am Boden entlangschweifen und fand schließlich eine Stelle, an der sie weich landen würde.
    Als Schritte deutlich hörbar die Treppe hinauf- und dann auf die Tür zukamen, stieg sie auf den Sims unter dem Fenster und hangelte sich Schritt für Schritt an der Hausfassade entlang. Von unten konnte sie hören, dass einige Marktbesucher auf sie deuteten, tuschelten und raunten, aber das kümmerte sie nicht. Sie ging weiter, bis sie sich oberhalb eines Sandhaufens befand. Dann ließ sie sich in die Tiefe fallen.
    Sand spritzte auf, als sie zuerst mit den Füßen landete und dann auf Hände und Knie fiel. Der Sand füllte nicht nur ihre Schuhe, sondern auch ihren Mund. Annalena spuckte aus und sah sich um.
    Einige Leute blickten sie fragend an, doch niemand sagte etwas. Kurz blickte sie zum offenen Fenster auf, dann lief sie los. Am besten in eine Seitenstraße, sagte sie sich. Wenn Röbers Ungetüm bereits hier ist, wird es nicht vermuten, dass ich diesen Weg genommen habe.
    Sie rannte auf die nächstbeste Gasse zu und verschwand darin. Ihr Herzschlag übertönte beinahe ihre Schritte. Zwischendurch blickte sie sich immer wieder ängstlich um.
    Ich muss zu Fürstenberg, donnerte es durch ihren Verstand . Ich muss ihm sagen, was die Preußen und Röber vorhaben.
    Jede Hoffnung, dass sie mit Johann entkommen könnte, war nun verloren. Sie hatte vorgehabt, ihn im Chaos der miteinander kämpfenden Preußen und Sachsen zu befreien. Doch da sie nun nicht wusste, wo und wann die Preußen zuschlagen würden, blieb ihr nur noch zu verhindern, dass sie Johann in die Finger bekamen. August war sicher das kleinere Übel.
    Als sie kaum noch Luft bekam, verlangsamte sie ihr Tempo. Sie war schon beinahe am Schloss angekommen. Versunken in ihre

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