Das Krähenweib
erfuhr, aber das war ihr egal. Sie musste verhindern, dass Johann nach Polen gebracht wurde.
Nun hielt sie Ausschau nach den Preußen und Röber. Hatten sie ihre Unterkunft in der Nähe, so dass sie den Marktplatz überblicken und sie entdecken konnten? Sie wusste nicht, wie lange sie es noch aushalten würde, hier zu warten.
Tue ich das Richtige?
Was sie vorhatte, war gefährlich, denn sie hinterging nicht nur die eine Seite, sondern gleich beide, und wie bei einer Prügelei auf der Straße konnten aus zwei Feinden schnell Verbündete werden, wenn es gegen einen gemeinsamen Gegner ging.
»Kein Wort«, raunte plötzlich eine Stimme hinter ihr und ein Gegenstand wurde in ihre Seite gedrückt.
Eine Pistole!, durchzuckte es Annalena.
»Komm mit!«, zischte ihr die dunkle Stimme zu.
Annalena lief ein Schauer über den Rücken, aber seltsamerweise verspürte sie keine Angst. Solange sie den Preußen die Informationen, die sie haben wollten, nicht gegeben hatte, würde man ihr trotz der Drohgebärde nichts tun.
Der Mann fasste nach ihrem Arm, und so, wie sie über den Marktplatz gingen, hätte man sie für Liebende halten können. Sie betraten die Schenke, die sich auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes befand, und Annalena erkannte, dass ihr Verdacht richtig gewesen war. Von hier aus konnten die Männer den gesamten Platz überschauen, und sie so leicht entdecken.
Als sie eintraten, schlug ihnen ein abgestandener Geruch nach ranzigem Fett, Wein und Bier entgegen. Von einem Schenkenwirt war nichts zu sehen. Sie wurde eine Treppe hinaufgeführt, die selbst unter ihrem geringen Gewicht bedrohlich ächzte, dann ging es durch einen niedrigen Gang zu einer Tür. Wenn es keinen guten Grund gegeben hätte, gerade in dieser Schenke einzukehren, hätte man glauben können, dass der preußische König seine Spione nicht besonders gut bezahlte. Der Mann klopfte nicht an die Tür, er öffnete sie einfach. Offenbar hatten die anderen sie bereits kommen sehen. Röber erhob sich, als sie eintraten. Der andere Preuße stand neben dem Fenster, eine Pistole in der Hand.
»Ich habe schon fast nicht mehr geglaubt, dass du auftauchen würdest, umso erfreuter bin ich, dich zu sehen«, sagte Röber und setzte ein übertriebenes Lächeln auf. »Ich hoffe, du hast gute Neuigkeiten für uns.«
Annalenas Puls hämmerte in ihren Schläfen. Ihr Mund war so trocken, als hätte sie wochenlang nichts zu trinken bekommen. »Ich weiß, wo Johann ist«, antwortete sie, bevor sie es sich noch einmal überlegen konnte.
»Ich bin ganz Ohr«, entgegnete Röber, und ihr entging nicht das triumphierende Leuchten in seinen Augen.
»Er ist im Schloss, aber nicht mehr für lange. Fürstenberg will ihn gegen Mitternacht aus der Stadt bringen. Durch den Schwarzen Gang.«
Röber sah zu den beiden Spionen. Diese wussten offenbar, was der Schwarze Gang war.
»Und aus welchem Grund soll das geschehen?«, fragte der Kaufmann misstrauisch.
»Er hat gestern eine Transmutation durchgeführt und Fürstenberg war davon so angetan, dass er mit ihm nach Polen zum König reisen will. Er soll durch den Schwarzen Gang zur Festungsmauer geführt werden, wo eine Kutsche auf ihn wartet.«
Die Spione musterten sie argwöhnisch. »Woher willst du das alles wissen?«, fragte Marckwardt schließlich.
»Ich habe es mit eigenen Ohren gehört. Gestern Nacht bin ich durch das Schloss geschlichen, weil es Gerüchte gab. Dabei bin ich auf den Statthalter Fürstenberg getroffen. Er unterhielt sich gerade mit Großkanzler von Beichlingen.«
Röber sah sie zweifelnd an, aber da es die Wahrheit war, konnte er wohl auch nichts anderes aus Annalenas Miene herauslesen.
»Wie viele Männer wird er bei sich haben?«, fragte er schließlich. »Hat Fürstenberg etwas über Wachen verlauten lassen?«
Annalena bemühte sich, ihre Unschuldsmiene beizubehalten. »Soweit ich weiß, werden nur Beichlingen und Fürstenberg bei ihm sein. Die Sache ist geheim, sie wollen kein Aufsehen erregen.«
Ganz sicher würde Fürstenberg nicht ohne Wachschutz reisen, und Röber und seine Freunde würden das auch ahnen, das war Annalena klar. Aber was sie nicht wusste, konnte sie nicht weitergeben.
Der Kaufmann kaute auf seiner Unterlippe herum, während er immer wieder zu den Preußen blickte.
»Beinahe schade, nicht wahr?«, fragte er, und Annalena fragte sich alarmiert, was er damit meinte. »Solch ein Talent wäre doch etwas für den Dienst Ihrer Majestät.«
Keiner der Spione antwortete.
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