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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Haushälterin. Annalena stand in der Rangordnung natürlich ganz unten. Als Neue kehrte sie die Asche und schrubbte die Töpfe und den Boden.
    »Geh auf den Markt und hol mir Zwiebeln, Äpfel, Kohl und Wurzeln. Und ein bisschen Schweineschmalz, wenn du welches auftreiben kannst.«
    Annalena fuhr erschrocken zusammen. Sie hatte sich so sehr in die Arbeit vertieft, dass sie Hildegard nicht kommen gehört hatte.
    Die Haushälterin streckte ihr einen Korb entgegen und Annalena zog verwundert die Augenbrauen hoch. Eigentlich war Marlies dafür zuständig, Gemüse vom Markt zu holen. Bevor sie fragen konnte, erklärte Hildegard: »Marlies fühlt sich heute nicht wohl, und ich habe keine Zeit, also geh du.«
    Dass es Marlies nicht gutging, hatte Annalena schon mitbekommen. Den ganzen Morgen über war sie auf ihrer Kammer geblieben. Sie nahm also den Korb und das Geld von Hildegard.
    »Die Münzen hier sind genau abgezählt und reichen für das, was du mitbringen sollst. Also lass dich nicht übers Ohr hauen.«
    Annalena nickte, verstaute das Geld in einer kleinen Tasche an ihrer Schürze und machte sich dann auf den Weg. Bis zum Molkenmarkt war es nicht weit. Er befand sich direkt vor der Nikolaikirche und war einer der imposantesten Märkte der Stadt. Der Markttrubel hallte ihr entgegen. Im Schatten des hoch aufragenden Kirchturms standen zahlreiche Stände und Buden, und das Stimmengewirr, das über diesem Platz schwebte, war ebenso schwer zu entwirren wie ein verfilztes Wollknäuel.
    Annalena tauchte in die Anonymität der Menge ein wie in ein warmes Bad, und nachdem sie sich orientiert hatte, strebte sie gut gelaunt dem ersten Stand zu. Niemand verspottete sie hier, niemand warf ihr Äpfel an den Kopf. Niemand wusste, wer sie war.
    Nicht beachtet und für normal angesehen zu werden, war für sie das Paradies.

    Die Sonne schien an diesem Nachmittag verheißungsvoll, als Johann die Apotheke verließ.
    Magister Zorn hatte ihm aufgetragen, die am Morgen bestellte Arznei zum Kaufmann Röber zu bringen. Eigentlich hätte dies auch der jüngere Schrader erledigen können, aber da er froh war, die Apotheke zwischendurch verlassen zu können, übernahm Johann diese Aufgabe gern. Mit dem Magenpulver in der Tasche nahm er einen kleinen Umweg über den Molkenmarkt, um sich ein wenig im Gewimmel treiben zu lassen.
    Johann liebte den frühen Sommer, der alles aufleben ließ. Die Bäume waren sattgrün, die Frauen trugen wieder bunte Kleider und ihr Lachen hallte fröhlich durch die Straßen. Von der nahen Spree wehte ein frischer, etwas fischiger Geruch herüber und über Böttgers Kopf zwitscherten die Spatzen, die gerade vor seinen Füßen aufgeflattert waren. Es war, als könnte die Seele endlich wieder frei atmen, nachdem sie so lange in den Klauen des eisigen Winters verharren musste.
    Auf dem Marktplatz herrschte das übliche Treiben: Dichtes Gedränge, lautes Anpreisen, Feilschen, Lachen, Fluchen. Der Geselle eines Geflügelhändlers machte sich gerade auf die Jagd nach zwei entlaufenen Hennen, die mit weit gespreizten Flügeln zwischen den Röcken der Damen hindurchhuschten. In einer der wenigen Ecken, wo keine Bude stand, spielten Kinder mit Kreisel und Steinen.
    Die Menschenmenge erinnerte Böttger an den Einzug des preußischen Königs, den er vor einigen Wochen miterlebt hatte. An diesem Tag hatte man vor lauter Menschen kaum den Boden unter den eigenen Füßen sehen können. Sie alle hatten einen Blick auf den prachtvollen Zug des Königs werfen wollen. Die Kutsche, die gen Cölln rollte, war reich geschmückt gewesen und der König selbst hatte gewirkt, als würde er von seiner Krone und dem Purpur erdrückt werden. Der Größte von Gestalt war Friedrich I. nicht gerade, doch in dem kleinen Herrscher steckte ein eiserner Wille. Beim Anblick des Goldes an der Kutsche war Johann wieder in den Sinn gekommen, welche Dankbarkeit ihm jeder Herrscher auf Erden zukommen lassen würde, wenn er das kostbare Metall herstellen könnte. Seitdem hatte er seine Studien beschleunigt – und seine Vorsicht erhöht.
    Im Moment wollte er aber nicht daran denken. Heute war er hier, um sorglos ein paar Minuten draußen im Freien unter anderen Menschen zu genießen. Besonders die hübschen jungen Frauen, die plappernd an ihm vorübergingen, zogen seine Blicke an.
    Vor kurzem hatte man ihm eine Liaison mit der Frau seines Dienstherrn nachgesagt, doch die brave Ursula Zorn hätte sich nie mit einem Lehrburschen eingelassen, auch wenn der

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