Das Krähenweib
nicht so lange aufhalten sollst.«
Annalena zuckte zusammen, straffte sich dann aber gleich wieder, denn sie hatte nichts Unrechtes getan. »Heute war viel los auf dem Markt.« Damit stellte sie den vollen Korb auf den Küchentisch und reichte ihr die übrigen Münzen. »Ich konnte hier und da etwas Nachlass heraushandeln.«
Sie hatte gehofft, dass das Hildegard etwas gnädiger stimmen würde, doch irgendwas schien ihr heute über die Leber gelaufen zu sein.
»Pack rasch die Sachen aus«, brummte sie. »Dann wirst du mir beim Wurzelschälen helfen und anschließend den Boden in den Räumen des Herrn schrubben.«
Annalena machte sich an die Arbeit. Zu gern hätte sie gefragt, ob es Marlies besserging. Doch in einer Stimmung wie dieser, war es wohl besser, Hildegard nicht anzusprechen.
Eine ganze Weile putzten und schnitten sie das Gemüse, zwischendurch schickte Hildegard Annalena zur Esse, um das Feuer zu schüren und den Wasserkessel aufzuhängen. Der Klang von Schritten, die die Dienstbotentreppe hinunterkamen, durchbrach die Stille. Wenig später erschien Marlies. Sie sah aus wie der wandelnde Tod. Ihr Gesicht war leichenblass, ihre Lippen wirkten bläulich.
»Wie geht es dir?«, fragte Hildegard mit unerwarteter Fürsorge.
»Wieder etwas besser.« Marlies strich verlegen über ihre Schürze. »Ich glaube, ich habe mir gestern den Magen verdorben.«
Aber woran, fragte sich Annalena. Von den Speisen gestern haben wir doch alle gegessen …
»Was stehst du da herum und starrst in die Gegend!«, fuhr Hildegard Annalena an, als sie bemerkte, dass sie stehen geblieben war. »Jetzt, wo Marlies hier ist, wird sie mir helfen, das Gemüse zu putzen. Du holst Wasser und beginnst dann oben mit dem Schrubben.«
Annalena nickte folgsam und bemerkte, dass Marlies ihr einen seltsamen Blick zuwarf. Fast schien es, als fürchte sie sich vor etwas. Doch Annalena entschied, dass dieser Eindruck sicher trog.
Vor was sollte Marlies sich schließlich fürchten?
Friedrich Röber stand vor dem Fenster seines Kabinetts und beobachtete Zorns Lehrling, der auf sein Kontor zukam.
Ein hoffnungsvoller Bursche, dachte er.
Ein Blick hatte dem Kaufmann gereicht, um zu erkennen, dass Böttger seinen Dienstherrn bezüglich des Goldmachens anlog. In Böttgers Blick leuchtete deutlich der Durst nach Wissen, genauso wie der Hunger nach Ruhm.
Mochte Zorn ihm auch mit Rauswurf drohen, einen echten Alchemisten brachte nichts von seiner Berufung ab, und wenn Röber nicht alles täuschte, war dieser Bursche genau das.
Außerdem lag es in der Natur des Menschen, das Verbotene reizvoller zu finden als das Erlaubte. Röber konnte davon ein Liedchen singen.
Wie weit mochte er in seinen Studien sein? Lohnte es sich, ihn zu protegieren? Es traf sich gut, dass Zorn ihn schickte. So konnte Röber ihn ausfragen und seine Neugierde stillen, die ihn mittlerweile schlimmer plagte als seine Magengeschwüre. Rasch stülpte er seine Perücke über den immer kahler werdenden Schädel und ging zur Tür. Böttger wollte gerade nach dem Türklopfer greifen, als Röber ihm bereits öffnete. Nur nicht zu offensichtlich wirken, sagte sich der Kaufmann. Er weiß, dass du mit seinem Meister verkehrst, also wirst du erst sein Vertrauen erringen müssen.
»Monsieur Röber, ich bringe Euer Mittel.« Der junge Mann zog das versiegelte Briefchen aus der Jackentasche und reichte es ihm.
Röber lächelte. »Kommt herein. Ich will Euch die Bezahlung gleich mitgeben.«
Böttger trat in die Diele und schloss die Tür hinter sich.
»Wenn Ihr wollt, könnt Ihr gern ein Tässchen Mocca mit mir trinken«, offerierte ihm Röber, während er seinem Kabinett zustrebte. »Ich habe eine Lieferung aus Wien bekommen. Das schwarze Elixier wirkt wahre Wunder.«
Böttger bedankte sich artig für dieses Angebot und folgte dem Kaufmann in seine Schreibstube, in der er auch sein Geld aufbewahrte.
Röber lächelte in sich hinein. Ich werde dich schon kriegen, Bursche!
Der Kaffee, den ihm seine Haushälterin vor wenigen Minuten gebracht hatte, dampfte immer noch. Röber beeilte sich, eine zweite Tasse herbeizuschaffen, und nachdem er sie gefüllt hatte, schob er sie Böttger zu. »Trinkt, einen besseren werdet Ihr wahrscheinlich nur in den Türkenlanden bekommen.«
Der junge Mann ließ sich zögerlich auf einen Stuhl nieder und nahm einen Schluck. Röber hatte nicht übertrieben, der Kaffee war wirklich gut.
»Dein Meister ist ein Zauberkünstler«, bemerkte der Kaufmann, während
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