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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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ihrem Alter mehr entsprach als ihr Gatte, der gut dreißig Lenze mehr zählte. Außerdem war Böttger ebenfalls kein Narr, der durch solch eine Tändelei seine Stellung gefährdet hätte.
    Plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen. Vor einem Gemüsestand hatte er eine junge Frau erblickt. Sie war hochgewachsen und schlank, aber keinesfalls eine Bohnenstange. Das Auffälligste an ihr war die schwarzgelockte Haarpracht, die unter der Haube über ihren Rücken fiel. Zunächst glaubte er, dass sie eine Zigeunerin sei, doch dann bemerkte Johann, dass ihr Hals so weiß wie Schnee war.
    Sie feilschte mit dem Händler, und offenbar hatte sie recht gute Argumente, denn tatsächlich knöpfte er ihr nur ein paar Taler ab, gab ihr aber dafür die besten Äpfel, die er in seinen Steigen hatte. Mehr und mehr wuchs Böttgers Neugierde. Was für ein Gesicht mochte sie haben? Welche Farbe hatten ihre Augen?
    Wenn sie sich nur umwenden würde!
    »Ihr solltet einen Kamm für Euer schönes Haar kaufen!«, sprach er sie schließlich an, nachdem sie ihr Geschäft mit dem Händler getätigt hatte.
    Die Fremde wandte sich um. Ihr Gesicht und besonders die rauchgrauen Augen waren ebenso hübsch wie der Rest von ihr. Allerdings war sie augenscheinlich nicht im Geringsten von Johann beeindruckt. Sie musterte ihn kurz, dann antwortete sie abweisend: »Dafür habe ich kein Geld!«
    »Dann solltet Ihr Euch von Eurem Kavalier einen schenken lassen. Den habt Ihr doch gewiss, oder?«
    »Ich wüsste nicht, was Euch das anginge!«
    Wer ist dieser unverschämte Kerl, ging es Annalena durch den Kopf.
    »Nun, wenn Ihr keinen habt, will ich gewiss mein ganzes Salär aufbringen, um Euch eine Freude zu machen.« Er lächelte sie breit an und Annalena musste zugeben, dass er gut aussah.
    Dennoch blieb sie kühl. »Ihr kennt mich doch gar nicht!«
    »Aber ich möchte Euch kennenlernen!«
    »Und es interessiert Euch natürlich nicht, ob ich das auch will, nicht wahr?«
    Auch davon ließ sich der Bursche nicht entmutigen. Er fasste sich getroffen ans Herz, grinste sie an und sagte in einem übertrieben flehenden Tonfall: »Bitte, seid nicht so grausam zu mir, schönes Fräulein. Ich bin ein ehrenwerter Bursche mit lauteren Absichten.«
    Trotz ihrer Absicht, ihn schnell abzuwimmeln, zuckte ein Lächeln über Annalenas Gesicht. Noch nie hatte ein Mann mit ihr gescherzt. Ein unbekanntes Gefühl flackerte wie eine Kerzenflamme in ihr auf. Doch ebenso schnell, wie diese Regung gekommen war, verschwand sie auch wieder. »Ich muss jetzt gehen«, sagte sie und griff nach ihrem Korb.
    »Wo kann ich Euch finden?«, fragte der junge Mann. »Wenn Ihr mir schon nicht Euren Namen sagen wollt, dann wenigstens das.«
    Annalena zögerte. Ich sollte es ihm nicht sagen, dachte sie, doch dann formten ihre Lippen wie von selbst die Worte: »Ich arbeite beim Kaufmann Röber.«
    Damit wandte sie sich um und verließ den Marktplatz. Böttger sah sie in der Menschenmenge verschwinden, dennoch brachte er es nicht über sich, seinen Blick abzuwenden. Er verharrte eine ganze Weile an seinem Platz und versuchte, das Bild der Frau in sich festzuhalten.

    Verwirrung tobte in Annalenas Brust, während sie sich einen Weg durch die Leute bahnte.
    Dieser Bursche hatte eindeutig versucht, ihr zu gefallen und ihre Gunst zu erringen. Sie wusste, eigentlich sollte sie sich darüber freuen oder zumindest geschmeichelt fühlen, aber im Moment spürte sie nur Angst. Sicher, nicht alle Männer waren wie Mertens. Vielleicht war dieser junge Mann aufrichtig an ihr interessiert und würde sie besser behandeln, als es ihr Ehegatte je getan hatte. Doch was würde geschehen, wenn er die Narben auf ihrem Rücken entdeckte. Wenn er erfuhr, wer sie war?
    Zitternd atmete sie durch. Das war ja albern, schalt sie sich selbst. Vermutlich würde sie ihn nie wiedersehen. Und wenn doch, würde sie ihn trotzdem abweisen. Das war das einzig Vernünftige. Schlag ihn dir aus dem Kopf. Immerhin wolltest du doch frei sein! Frei von einem Ehemann, frei von deiner Herkunft! Frei wie die Krähen auf dem Walsroder Kirchturm!
    Sie schob jeden Gedanken an den Unbekannten zur Seite und eilte zurück zum Kontor. Sicher war mehr Zeit verstrichen, als Hildegard gutheißen würde. Als sie eintrat, dachte sie zunächst, dass die Haushälterin ihre verspätete Rückkehr nicht bemerken würde. Doch kaum war sie in der Küche, tauchte sie hinter ihr auf.
    »Wo warst du so lange?«, schnarrte sie. »Ich hatte dir doch gesagt, dass du dich

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