Das Krähenweib
Lascarius bereits erwartet wurde.
Wenig später saßen sie bei Wein und Brot, das Böttger spendiert hatte, und sprachen über die Theorie des Goldmachens.
»Er weiß, dass Er für die Transmutation ein gut eingerichtetes Laboratorium braucht?«, fragte Lascarius irgendwann.
»Seid unbesorgt, schon in einigen Tagen werdet Ihr Sieberts Labor nicht wiedererkennen«, antwortete Johann. »Mir war das Glück vergönnt, einen Förderer für meine Arbeit zu finden. Ein Kaufmann hat mir dreihundert Taler versprochen, von denen ich neue Ausrüstung erwerben werde. Alles, was er verlangt, ist bei einer Transmutation dabei zu sein und über all meine Erfolge unterrichtet zu werden.«
Lascarius überlegte eine Weile. Worüber er nachdachte, war ihm nicht anzusehen, seine Miene war so reglos, als sei er in den Tiefen eines Gebets versunken. Johann fragte sich, ob das gut oder schlecht war, dann sagte der Mönch plötzlich: »Nun, Er hat mich davon überzeugt, dass Er würdig genug ist, einen Blick auf das große Geheimnis zu werfen.«
Der Mönch erhob sich und ging zu seiner geheimnisvollen Kiste. Johann beobachtete, wie er darin mit beinahe dem gesamten Oberkörper verschwand, und fragte sich, was er wohl hervorholen wollte. Als er sich wieder aufrichtete und umdrehte, hatte der Mönch die Hände unter seiner Kutte. Johann überkam eine Ahnung.
Mit beinahe würdevollem Schritt kehrte Lascarius schließlich zurück und holte ein mit Korken verschlossenes Glas aus seinem Ärmel hervor, das ungefähr zwei Finger dick war.
Darin schimmerte ein rotes Granulat, das Johann an Goldrubinglas erinnerte. Wäre es flüssig gewesen, hätte er es für den sogenannten Cassius’schen Goldpurpur halten können, dem man wundertätige Dinge nachsagte. Doch wenn ein Mann wie Lascarius rote Kristalle in der Hand hielt, war es gewiss nicht etwas, das von anderen Alchemisten bereits erprobt worden war.
»Ja, mein Junge, Er hat den richtigen Gedanken«, sagte Lascarius, als er Johanns Augen aufleuchten sah. »Dies ist der Stein der Weisen, das Arkanum. In der kommenden Woche werde ich Ihm beibringen, wie Er es einsetzen kann.«
»Habt Ihr keine Angst, dass Euch jemand das Arkanum stehlen könnte?«, fragte Johann, während er den Blick nicht von der Phiole ließ. Es war gewiss gefährlich, eine Kostbarkeit wie den Stein der Weisen ohne den Schutz einer Waffe bei sich zu tragen.
Der Mönch musterte ihn daraufhin so lange, bis Johann es beinahe bereute, seinen Gedanken laut ausgesprochen zu haben.
»Nun, was das angeht, bin ich unbesorgt. Sollte jemand auf die Idee kommen, mich bestehlen zu wollen, wird ihn Gottes Verdammnis treffen. Und wie wir alle wissen, kann das Arkanum seine Wirkung nur mit Gottes Wohlwollen entfalten.« Mit diesen Worten reichte er Johann die Phiole. »Nur ein paar Körnchen dieses Mittels genügen, um einfaches Metall in Gold zu verwandeln. Das große Ziel nennt man es in unseren Kreisen, aber das weiß Er bereits. Es gibt davon auch noch ein weißes Granulat, mit dem man aus unedlem Metall Silber machen kann. Aber das rote ist der wahre Stein der Weisen.«
Böttger betrachtete die roten Kristalle fasziniert. Für einen Moment glaubte er, das Glas würde sich unter seinen Fingern erwärmen, doch das war nur Einbildung. Vielmehr war es so, dass seine Hände zu schwitzen begannen, also gab er dem Mönch die Phiole schnell wieder, damit er sie nicht aus Versehen fallen ließ.
»Wenn Er will, kann Er eine kleine Probe bekommen und damit seine Studien treiben«, sagte Lascarius daraufhin, nachdem er die Phiole nachdenklich in den Händen gewogen hatte.
Johann konnte sein Glück nicht fassen. Er nickte, ungläubig und fasziniert zugleich. Kein einziges Wort konnte er herausbringen.
Lascarius füllte etwas von dem Granulat in eine kleinere Phiole, die er ihm daraufhin reichte. »Bedenke Er immer, dass die Wirkung des Steins verbessert wird, wenn man ihn mit Wachs umhüllt. Bei kleinen Transmutationen ist es nicht von Bedeutung, doch bei größeren kommt es auf das genaue Verfahren an, und Er will doch sicher nichts von diesem kostbaren Stoff verschwenden, oder?«
Johann schüttelte den Kopf. Mit einem Mal fühlte sich seine Kehle ganz trocken an und sein Verstand begann zu schwirren. Welche Möglichkeiten würde ihm dieser Stoff eröffnen! Er würde der erste neue Adept der Alchemiekunst sein. Soweit bekannt war, gab es nur noch wenige alte Adepten, die meisten von denen, die es behaupteten, waren Betrüger, die früher
Weitere Kostenlose Bücher