Das Krähenweib
sein. Und ich bin mir sicher, dass dieser nicht mehr lange auf sich warten lässt.
Eine Woche war Marlies nun schon verschwunden, und auch Johann hatte sich seit der Suche nach ihr nicht mehr blicken lassen. Annalena fragte sich, ob ihm sein Versuch, Gold zu machen, geglückt war.
Viel Zeit, um darüber nachzudenken, hatte sie allerdings nicht. Hildegard hatte sich von der Schelte noch immer nicht erholt und Röber wollte scheinbar keine weitere Magd anstellen, so dass Annalena nun die meisten von Marlies’ Aufgaben erledigen musste.
Wenigstens kümmerte sich Röber nur noch um seine Geschäftsbücher, was Annalena erleichterte, denn so brauchte sie nicht fürchten, dass er ihr nachstieg.
An diesem Morgen musste erneut der Fußstein gescheuert werden. Röber hatte sich bei Hildegard beschwert und den Einwand, dass zwei jetzt die Arbeit von dreien erledigen mussten, nicht gelten lassen.
Annalena nutzte die monotone Arbeit, um ihre Gedanken schweifen zu lassen. Sie wusste nicht, was sie Johann eher wünschen sollte. Goldmacher, die versagten, wurden gehängt, doch erst dann, wenn sie sich vor dem König großgetan hatten. In Johanns Fall würde ein Versagen wohl nur zur Folge haben, dass man ihn für einen Narren hielt, doch das war gewiss das kleinere Übel. Narren verlachte man, aber man knüpfte sie nicht auf.
»Was für reizende Aussichten es hier gibt!«, tönte es plötzlich hinter ihr.
Annalena schnellte in die Höhe und wandte sich um. Johann saß unweit von ihr auf dem Rand der Wassertonne und grinste sie breit an.
»Kannst du nicht vor mich treten und mir ins Gesicht sagen, was du sagen willst?«, fragte sie lachend und ließ die Bürste ins Wasser gleiten.
»Das tue ich doch jetzt. Aber es gefällt mir, dich zu beobachten, besonders, wenn du solch eine Aussicht bietest.«
»So redet man aber nicht mit anständigen Leuten!« Annalena war froh, ihn endlich wiederzusehen. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass Hildegard nicht in der Nähe war, fiel sie ihm in die Arme. Ihre Lippen trafen sich, als sei keine Woche vergangen.
»Holla, wofür war das denn?«, fragte Johann mit einem verschmitzten Grinsen. »Ich habe dir doch gar keinen Weg durch die Stadt gezeigt.«
»Aber du bist wiedergekommen.«
»Hast du mich etwa vermisst?« Es war Johann anzusehen, dass er sich darüber freute.
»Das habe ich. Allerdings habe ich mich auch gefragt, ob du bereits am Galgen baumelst wegen deiner Goldmacherei.«
»Das hättest du ganz gewiss mitbekommen«, entgegnete Johann und zog sie fester an sich. »Aber das wünschst du mir doch nicht, oder?«
»Ich wünsche niemandem etwas Schlechtes, schon gar nicht dir. Aber ich fürchtete wirklich, dass etwas geschehen sein könnte.«
»Nun, dann kann ich dir versichern, dass ich noch in einem Stück bin und auch mein Hals noch keinen Zoll länger ist, als er sein soll. Und das wird auch nicht geschehen, das verspreche ich …«
Plötzlich stockte Johann und sein Blick ging über ihre Schulter hinweg. Gleichzeitig löste er seine Umarmung. Als Annalena sich daraufhin besorgt umwandte, sah sie Röber in der Tür stehen. Nur Gott allein wusste, wie lange er sie schon beobachtet hatte! Wahrscheinlich hatte er durch sein Kabinettfenster mitbekommen, dass Johann mit ihr gesprochen hatte.
»Hast du nichts Besseres zu tun, als auf der Straße mit Männern zu sprechen?«, fuhr Röber Annalena scharf an, worauf sie sogleich zurück zu ihrem Wassereimer huschte.
»Verzeiht, Monsieur Röber, aber ich habe Eure Magd angesprochen, und wenn jemandem Strafe gebührt, dann mir.«
Johann trat lächelnd auf den Kaufmann zu, wissend, dass dieser nun nicht mehr in der Lage sein würde, Annalena zu schelten.
»Ich habe Euch erwartet, Böttger«, entgegnete der Kaufmann, ohne seine Magd noch eines Blickes zu würdigen. »Kommt herein.«
Johann zwinkerte Annalena noch einmal zu, dann verschwand er im Kontor.
Die Versuchung zu lauschen, was Johann mit dem Krämer zu bereden hatte, war groß, doch Annalena drängte sie beiseite. Nein, sie wollte besser nichts davon wissen – und sie wollte auch nicht, dass Röber sie wegen ihrer Verfehlungen zu sich bat und dann das, was er in seinem Kabinett vorgehabt hatte, in die Tat umsetzte.
Sie hatte die Treppe gerade fertig, als Johann das Kontor wieder verließ. Röber war im Haus geblieben, und so konnte er es sich erlauben, sie noch einmal kurz zu küssen.
»Wenn wir uns das nächste Mal wiedersehen, werde ich dir ein Stück
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