Das Krähenweib
künstliches Gold in die Hand legen«, flüsterte er, und ehe Annalena ihm sagen konnte, dass das alles für sie nur Phantasterei war, war er bereits verschwunden.
Der Rest des Tages verging ruhig. Annalena verrichtete ihre Arbeit in der Küche und stapfte dann die Treppe hinauf zu der kleinen Wäschekammer auf dem Dachboden.
Sie öffnete die Luke im Dachgiebel, damit sie Licht hatte, und begann dann, die Hemden und Hosen, Laken und Tücher abzunehmen.
Während frische Luft, durchsetzt mit dem Geruch der nahen Spree, in den Raum strömte, schweiften ihre Gedanken zu Johann, und sie versank so sehr in Träumereien von einem Leben an seiner Seite, dass sie nicht hörte, dass sich Schritte der Wäschekammer näherten und an der Tür innehielten.
Eine ganze Weile rührte sich der Zuschauer nicht. Er begnügte sich mit der Betrachtung der Magd, die Wäschestück für Wäschestück von der Leine nahm, es faltete und in den Korb legte.
»Wie ich sehe, bist du fleißig«, sagte er schließlich.
Annalena wirbelte erschrocken herum. Röber lehnte am Türrahmen. Er tat so, als sei er zufällig hier, aber Annalena erahnte den wahren Grund.
Lieber Gott, nein, dachte sie, als ihr klarwurde, dass sie ganz allein im Haus war. Hildegard war fortgegangen, Thomas war draußen im Stall. Wenn sie schrie, würden das die Leute zwar hören, aber wie es ihre Art war, würden sie die Köpfe senken und weitergehen. Eine Magd war schließlich selber schuld, wenn ihr Herr sich an ihr verging.
»Die Wäsche ist trocken und muss von der Leine herunter«, entgegnete Annalena und ärgerte sich darüber, dass ihr keine bessere Entgegnung eingefallen war. Aber die Angst vor Röber, vor dem, was er hier oben mit ihr anstellen könnte, ließ ihr Innerstes verkrampfen.
Röber betrachtete sie einen Moment lang wie der Wolf am Fluss, der wittern konnte, dass sie Angst hatte, dann kam er auf sie zu. Annalena ließ die Arme sinken und trat einen Schritt zurück.
»Na, na, nicht so ängstlich«, sagte Röber, und der einschmeichelnde Ton in seiner Stimme ließ Annalena noch wachsamer werden. »Ich möchte nur ein wenig mit dir reden.«
Auch wenn sie glaubte, vor lauter Furcht erstarren zu müssen, zwang sie sich schließlich dazu weiterzuarbeiten. Sie ging ein Stück zur Seite, reckte die Arme in die Höhe und griff nach dem Laken. Sie erwartete fast, dass er die Gelegenheit nutzen und ihr an die Brüste fassen würde, doch das tat er nicht.
»Sag mir, was hast du mit diesem Burschen?«, fragte er stattdessen mit einem seltsamen Funkeln in den Augen. »So, wie du ihn in deine Arme geschlossen hast, scheinst du sehr vertraut mit ihm zu sein.«
Annalena schlug das Herz plötzlich bis zum Hals. Jeder, der an ihnen vorbeigekommen wäre, hätte sicher gedacht, zwei Versprochene zu sehen. Dass Röber ebenfalls diesen Eindruck hatte, war nicht weiter verwunderlich.
»Ich kenne ihn gut«, antwortete sie und beobachtete beklommen Röbers Bewegungen, um rechtzeitig zurückspringen zu können, sollte er ihr wie im Kabinett zu nahe treten. Die Gerte hatte er heute nicht bei sich, doch seine Hände waren nicht weniger gefährlich. Vielleicht konnte sie nach unten flüchten, wohin Röber ihr gewiss nicht nachlaufen würde, denn da war Paul, und welchen Eindruck machte es, wenn der Krämer seiner Magd nachstellte?
»So, du kennst ihn gut«, sagte Röber und verharrte weiterhin lauernd an seinem Platz. »Wie gut kennst du ihn denn? So gut, dass du ihn auch unter deine Röcke lässt? Zwischen deine Schenkel?«
Annalena wirbelte herum, doch weit kam sie nicht. Röber sprang auf sie zu, packte sie brutal am Arm und riss sie zurück.
»Bleib hier und antworte mir!«, herrschte er sie an. »Vögelst du mit ihm?«
»Nein!«, schrie Annalena und versuchte verzweifelt, sich aus seinem Griff zu lösen, doch der Kaufmann hatte trotz seiner sehnigen Gestalt überraschend viel Kraft.
»Warte, ich werde gleich sehen, ob du lügst!« Röber drängte sie gegen die Wand und während er sie mit dem Oberkörper und der rechten Hand zu halten versuchte, bahnte sich seine linke den Weg unter ihren Rock.
Panik wallte in Annalena auf, und für einen Moment meinte sie nicht Röber vor sich zu sehen, sondern Mertens. Sein Atem hatte ebenfalls nach Wein gestunken. Es gab hier keine Treppe, die sie ihn hinunterstoßen konnte, doch als er sich fester an sie presste, hatte sie plötzlich sein Ohr vor dem Mund. Annalena überlegte nicht lange und biss zu.
Röber wich schreiend
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