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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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bloß nicht, dass du deinen Lehrherrn immer leiden magst.«
    »Nein, manchmal mag ich ihn ganz und gar nicht. Aber ich würde auch nicht so von ihm reden wie du eben.«
    Es war also doch gut, dass ich es ihm nicht erzählt habe. Besser, sie wechselte das Thema, aber einen letzten Versuch musste sie unternehmen: »Wie dem auch sei, lass dich besser nicht drauf ein.«
    Böttger lächelte. »Machst du dir etwa Sorgen um mich?«
    »Und wenn ich es täte?«, gab Annalena böse zurück.
    »Dann wäre es unbegründet«, entgegnete Johann in sanftem Ton. »Ich werde Gold herstellen und damit reich und berühmt werden.«
    Annalena wollte nichts mehr davon hören, denn das mulmige Gefühl blieb und davon abbringen konnte sie ihn sowieso nicht. »Sag an, wo müssen wir jetzt entlang?«, fragte sie deshalb und deutete auf die Kreuzung vor ihnen.
    »Wir sind gleich da«, erwiderte Johann. »Die Mauer ist ganz in der Nähe. Wäre es Tag, könnte man dem Krächzen der Krähen folgen, die sich auf dem Dach des Henkers niederlassen. Man sagt, es seien die Geister der Toten.«
    »Das ist doch nur Aberglaube.« Annalena erinnerte sich an die Krähen der Lübzer Fronerei. Ihr Vater hatte erzählt, dass sie durch die toten Tiere angelockt wurden, die er beständig fortschaffen musste. Daran, dass es Seelen waren, glaubte sie auch jetzt noch nicht. Aber sie hatte plötzlich wieder den Ruf der Walsroder Kinder im Ohr. Krähenweib, Krähenweib … Doch dann schüttelte sie die Erinnerung ab. Hier kannte sie niemand, hier wusste niemand, wer sie war.
    »Kriegst du es jetzt doch mit der Angst zu tun?«, fragte Johann, als ihm auffiel, wie ihr Körper erzitterte.
    »Nein, warum sollte ich?«
    »Es sah so aus.« Er grinste sie frech an, dann deutete er nach vorn. »Aber selbst wenn, jetzt gibt es kein Zurück mehr.«
    Die Fronerei war von einer halbhohen, steinernen Umfriedung umgeben, in die ein kleines Holztor eingelassen war. Die roten Wände des Hauses wurden von Fachwerkbalken gestützt. Annalena wusste, dass ihr Vater froh gewesen wäre, solch ein Anwesen zu besitzen.
    »Da ist das Haus der Alten«, sagte Johann und deutete auf die Hütte, die sich in den Schatten des Henkershauses duckte. Dass sie leicht übersehen werden konnte, war seiner Bewohnerin sicher mehr als recht. Nur jene sollten sie finden, die sie auch finden wollten.
    »Wir haben Glück, sie ist noch wach.« Ebenso wie Johann hatte auch Annalena den Lichtschein bemerkt, der durch die Gucklöcher in den Fensterläden fiel. Traktierte sie in diesem Augenblick vielleicht eine Frau mit ihren Nadeln? Der Gedanke, Marlies mit gespreizten und blutigen Schenkeln auf dem Tisch liegen zu sehen, verursachte Annalena Übelkeit, aber die Ungewissheit über ihr Schicksal war schlimmer. An der Hütte angekommen, klopfte sie an die Tür. Das Geräusch klang laut wie ein Schrei in der stillen Nacht, die leisen, schleppenden Schritte, die sich daraufhin näherten, waren dagegen kaum zu hören.
    Die Frau, die schließlich öffnete, musste früher einmal ähnlich groß wie Annalena gewesen sein. Die Last der Jahre hatte sie jedoch gebeugt wie einen alten Baum und ihre Haare ausgeblichen, so dass sie wie Spinnweben ihr Gesicht umkränzten. Ihre ruhigen und starken Hände sahen dagegen nicht wie die einer alten Frau aus und ihre Augen wirkten wach.
    »Gott zum Gruße, Mädchen. Was führt dich her?«
    Der Blick der Frau streifte über ihren Körper. Wahrscheinlich erkannte sie sofort, dass ihre Besucherin kein Kind trug. »Gott zum Gruße«, gab Annalena zurück. »Ich … ich habe eine Frage an Euch.«
    »Dann komm rein und sag mir, was du wissen willst. Der Bursche hinter dir muss aber draußen bleiben, denn dies ist kein Ort für Männer.«
    Annalena blickte sich um und sah, dass Johann ohnehin nicht erpicht war, das Haus der Alten zu betreten. Sie nickte ihm zu, dann folgte sie der Frau ins Innere.
    »Also, erzähl«, forderte sie die Engelmacherin auf, nachdem sie die Tür hinter sich zugezogen hatte. Schlurfend näherte sie sich dem Tisch in der Mitte. Er war sauber gescheuert, ein Kräuterstrauß hing darüber. Auch an den Fenstern waren Sträuße zu finden. Das Licht, das sie von außen gesehen hatte, kam aus der Esse. Auf einem kleinen Regal erblickte Annalena ein paar tönerne Gefäße.
    »Es geht nicht um mich, sondern um eine … eine Freundin«, erklärte Annalena und konnte sich eines Erschauerns nicht erwehren.
    Die Alte setzte ein mildes Lächeln auf. »Das sagt so manch eine,

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