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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Johann kurz die Hand auf die Schulter und strebte dann dem Ausgang zu.
    Johann bekam es nun doch ein wenig mit der Angst zu tun. Was war, wenn Lascarius es sich anders überlegt hatte? Wenn er ihm das Rezept nicht mehr vermachen wollte?
    »Aber Er ist sicher nicht nur hier, um mit mir ein letztes Pläuschchen zu halten, stimmt’s?« Lascarius blickte Johann prüfend in die Augen und bedeutete ihm dann, zur Kutsche mitzukommen.
    Mit einer lässigen Handbewegung schickte er den Kutscher, der ihm gerade die Tür des Schlages geöffnet hatte, weg und stieg dann ein.
    »Was ist, will Er nicht ebenfalls reinkommen?«, fragte er Johann, als dieser ihn überrascht anschaute. »Ich pflege meine Geheimnisse nicht in der Öffentlichkeit zu überreichen.«
    Johann fragte sich einen Moment lang, warum sie dann nicht zurück auf sein Zimmer gegangen waren. Lascarius hatte allerdings nicht vor, viele Worte, die an die Ohren Neugieriger geraten konnten, zu verlieren. Nachdem Johann seiner Aufforderung gefolgt war, zog er eine kleine Pergamentrolle aus der Innentasche seines Rocks. Er verbarg sie zwischen seinen langen Fingern und reichte sie Johann auf eine Weise, die für jeden, der zufällig durch das Fenster der Kutsche sah, anmuten musste, als gebe einer dem anderen nur die Hand zum Abschied. Johann umschloss die Schriftrolle hastig, als fürchte er, ein Windstoß könnte sie aus der Kutsche tragen. Dann ließ er sie ebenso schnell und diskret wie Lascarius in seiner Rocktasche verschwinden.
    »Bewahre Er dieses Geheimnis gut, mein Junge. Es wird Sein Schlüssel zu den Häusern und Burgen sämtlicher hoher Herren sein. Wenn Er sich geschickt anstellt, werde ich gewiss schon bald von Ihm hören. Und jetzt lebe Er wohl.«
    Nun reichte ihm Lascarius die Hand wirklich zum Abschied, und Johann verließ die Kutsche. Als hätte er nur darauf gewartet, tauchte der Kutscher auf und, ohne noch einmal Rücksprache mit seinem Herrn zu halten, schwang sich auf den Kutschbock.
    Das Gefährt setzte sich in Bewegung und das Hufgetrappel übertönte kurz Johanns Herzschlag. Als es auf der Straße wieder still geworden war, schob Johann die Hand in die Rocktasche, als wollte er sich vergewissern, dass dies nicht nur ein Traum gewesen sei. Er spürte die Schriftrolle, und während sich sein Verstand mit Plänen füllte, machte er kehrt und strebte dem Molkenmarkt zu.

    Am Abend wussten alle im Kontor über Marlies’ Schicksal Bescheid. Annalena wäre am liebsten nicht mehr daran erinnert worden, aber Hildegard ließ verlauten, dass Annalena die Tote gesehen hatte, und so wurden ihr von Thomas und Paul Löcher in den Bauch gefragt. Sie versuchte, so unspektakulär wie möglich zu antworten, doch sie konnte deutlich sehen, dass es den Männern nicht um Marlies’ Schicksal ging. Vielmehr wollten sie nur selbst etwas zu erzählen haben, und allmählich fragte sich Annalena, ob sie Marlies jemals mehr als einen oder zwei Blicke gegönnt oder sie überhaupt wahrgenommen hatten. Die glänzende Gier nach etwas Schrecklichem in ihren Augen widerte sie an, so dass sie Mühe hatte, ihre Gefühle im Zaum zu halten.
    An diesem Abend zog sich Annalena nicht zur Nachtruhe aus und sie betrachtete ihre Narben auch nicht. Vollständig angekleidet legte sie sich aufs Bett und starrte die Deckenbalken an.
    Marlies’ aufgedunsenes Gesicht ging ihr dabei ebenso durch den Kopf wie das, was Paul von Johann berichtet hatte. Wie gern hätte sie mit ihm über diesen schrecklichen Tag gesprochen, und wie gern hätte sie ihn gefragt, ob an dem Geschwätz über sein Experiment wirklich etwas dran war! Sie wünschte sich, dass ein Kiesel die Scheibe ihres Kammerfensters treffen würde, und dass sie beim Hinausschauen Johann sehen würde, doch diese Hoffnung war vergeblich. Vielleicht hätte sie damit rechnen können, wenn sie dieses Zeichen ausgemacht hätten, aber bislang waren ihre Zusammentreffen mit Johann immer rein zufälliger Natur gewesen. Und gewiss stand Johann in diesem Augenblick auch nicht der Sinn danach, zu ihr zu kommen.
    Doch warum ergab sie sich diesem Umstand? Hatte sie nicht Beine, die sie trugen? Wusste sie etwa nicht mehr, wo sie ihn finden konnte?
    Hildegard war in ihrem Zimmer und Röber, den die Sache mit Marlies wohl kaltgelassen hatte, rechnete sich wahrscheinlich schon aus, welchen Gewinn er mit Johann machen konnte. Niemand würde merken, wenn sie sich aus dem Haus stahl, um ihn zu sehen.
    Als Annalena vorsichtig die Kammertür öffnete und

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