Das Krähenweib
Geste des Schweigens hatte auch ihr gegolten.
Johann zog sie durch die Offizin und die Defektur zu einer kleinen Wendeltreppe, die in den Keller führte. Schrader folgte ihnen und blickte sich immer wieder misstrauisch um. Es war eine Sache, im Laboratorium ein Experiment durchzuführen, eine ganz andere, eine Frau dabeizuhaben. Zorn würde ihnen Ersteres vielleicht nachsehen, zumal es schien, als hätten sie Erfolg gehabt, doch wenn er die Fremde sah, würde es Ärger geben.
»Was tut ihr hier?«, fragte Annalena leise, nachdem sie sich einen Augenblick lang in dem Kellerraum umgesehen hatte. Er mutete wie eine Hexenküche an, und in der Luft hing noch immer ein beißender Geruch.
»Das habe ich dir doch schon gesagt, ich mache Gold«, entgegnete Johann im Flüsterton, was im Geräusch des Feuers beinahe unterging. »Gestern ist es mir in Sieberts Küche gelungen, und gleich werden wir sehen, ob ich die Transmutation wiederholen konnte.«
Er hob den Tiegel, der mittlerweile in einem Wasserbottich lag, hoch und schüttete ihn auf dem Tisch aus. Ein Metallstück purzelte auf die Tischplatte. Golden schimmerte es im Feuerschein.
»Gold«, presste Schrader hervor und griff hinter sich nach dem Treppengeländer, als fürchte er, ohne den Halt zu Boden zu sinken.
Annalena zeigte weniger Ehrfurcht. Sie trat an den Tisch und griff nach dem Metallklumpen. Er war warm und fühlte sich glatt an.
»Und? Kannst du einen Unterschied ausmachen zu dem Stück, das ich dir damals gab?«, fragte Johann. Er war sicher, dass er einen weiteren Sieg errungen hatte.
»Augenscheinlich nicht«, antwortete Annalena. »Doch wer sagt dir, dass es wirklich Gold ist? Es könnte genauso gut goldfarbenes Metall sein. Auch Messing hat eine goldene Farbe.« Sie legte den Regulus wieder auf den Tisch.
Johann hatte inzwischen den Tiegel beiseite gestellt. Annalenas Worte machten ihm nicht im Geringsten Sorgen. »Messing wäre wesentlich leichter, und außerdem ist das kein reines Metall. Dies hier schon.«
»Und wie willst du das überprüfen?«
»Durch die Senkprobe«, meldete sich Schrader jetzt wieder zu Wort. »Man lässt einen Klumpen Metall in Quecksilber fallen. Sinkt er ab, ist es Gold, schwimmt er oben, ist es kein echtes Gold.«
Johann nickte. »Sieh an, mein Freund macht sich. Ehe du dich versiehst, wird aus dir auch noch ein brauchbarer Adept.«
»Danach strebe ich gar nicht«, gab Schrader zurück. »Ich will nur sehen, ob du recht hast.« Mit diesen Worten holte er einen Tiegel heran, der mit einer silbrigen Flüssigkeit gefüllt war.
Johann verfolgte lächelnd, wie Schrader ihn auf dem Tisch plazierte, dann warf er den Regulus kurzerhand hinein. Es gab ein metallisches Geräusch, als der Klumpen den Boden des Gefäßes erreichte. Gespannt beobachteten die beiden Apothekerlehrlinge die Flüssigkeit, und als das Metall auch nach einigen Augenblicken nicht nach oben kam, hatten sie Gewissheit.
»Ich sagte es dir doch, es ist Gold!«, rief Johann und fischte mit einer kleineren Zange den Regulus wieder hervor. Das Quecksilber perlte davon ab, einige Tropfen gingen dabei daneben und kullerten über die Tischplatte. Annalena beobachtete dies beinahe faszinierter als den Goldregulus. Von ihrem Vater hatte sie gehört, dass Ärzte Quecksilber für Kuren vor allem bei venerischen Krankheiten anwandten, gesehen hatte sie dieses flüssige Metall allerdings noch nie – bis heute.
»Pures Gold! Annalena, was sagst du dazu?«
»Ich bin kein Alchemist, der das beurteilen könnte, aber für mich sieht es wirklich nach Gold aus.«
»Da hörst du es! Und wer, wenn nicht eine Frau, weiß echtes Gold von Tand zu unterscheiden!«
»Ich habe ja auch nicht bestritten, dass es Gold ist«, verteidigte sich Schrader. »Nun gut, dieses Mal ist es dir gelungen, doch wirst du es wiederholen können? Wieder und wieder? Wenn der König von dir erfährt, dann wird er sich nicht mit einem Regulus zufriedengeben. Du wirst ihm schon eine ganze Kammer mit Gold schaffen müssen.«
»Wer sagt denn, dass es der König erfahren soll? Vorerst gedenke ich noch nicht, es jemandem zu sagen.«
»Aber meinst du denn, es wird geheim bleiben?« Schrader blickte zu Annalena, als verdächtigte er sie, das Gesehene in Windeseile unter die Leute zu bringen.
»Wenn wir alle schweigen, ja. Und ich bin mir sicher, dass Annalena schweigen wird.«
Wenn du wüsstest, was ich alles für mich behalte, dachte sie und nickte dann. »Von mir erfährt keiner was.«
»Na
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