Das Krähenweib
bestanden und meinen Gesellenbrief erhalten hatte, hatte ich die Ehre, ein paar Tage auf dem Landgut meines Freundes Johann Kunckel von Löwenstein zu weilen. Mein Lehrherr hat dies nicht gern gesehen und mich ermahnt, nicht wieder der Versuchung der Goldmacherkunst zu erliegen. Ich habe es ihm hoch und heilig versprochen, und habe durch diese Lüge vielleicht das göttliche Wohlwollen, das auf meiner Arbeit ruhte, verloren.
Auf Kunckels Landgut in der Mark ist es mir jedenfalls zum letzten Mal gelungen, Gold zu machen. Mein alter Freund, der durch eigene Misserfolge bereits ein wenig bekümmert war, war außer sich vor Freude und schöpfte neuen Mut, seine Forschungen wieder aufzunehmen. Ich überließ ihm einen kleinen Teil meines Arkanums, nicht aber das Rezept dazu. Es mag verwerflich sein, vor einem Freund wie ihm Heimlichkeiten zu haben, aber ich redete mich damit heraus, dass ich das Arkanum selbst noch nicht hergestellt hatte und ihm nach erfolgreichem Versuch eine weitere Probe bringen wollte.
Seitdem ist es allerdings so, als hätte mich ein Fluch befallen. Hatte ich mich nach den beiden ersten Transmutationen auf dem rechten Weg gewähnt, so häufen sich seitdem die Fehlschläge. Gold ist es nicht mehr, was ich herstellen kann, bestenfalls handelt es sich um vergoldetes Metall. Schrader habe ich ebenso wenig davon erzählt wie Siebert, dessen Labor ich jetzt nur noch selten frequentiere, seit auf mysteriösem Wege die restlichen Taler, die ich von Röber bekommen hatte, verschwunden sind. Keine große Summe, doch dieser Vorfall hat einen Keil zwischen uns getrieben, und wenn ich dort hingehe, dann nur, weil es Röbers Geld ist, das in der Einrichtung steckt. Das Geld, das ich geliehen habe und zurückzahlen muss!
Auch wenn es gefährlich ist, nehme ich nun mehr und mehr das Laboratorium unter der Offizin in Anspruch. Natürlich muss ich mich vorsehen, dass keine Spuren zurückbleiben. Zorns Unmut will ich mir auf keinen Fall zuziehen. Mein Gesellenbrief ist erst ein paar Wochen alt und ich habe nicht vor, ihn leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Sorgfältig scheuere ich also die benutzten Gefäße und halte mein Material unter Dielen und hinter Steinen verborgen.
Schrader schützt mich noch immer mit seinem Schweigen, doch seine Ambitionen die Alchemie betreffend scheinen erloschen zu sein. Auch wenn er immer noch glauben muss, dass ich es zu einem Goldmacher bringen werde. Oder glaubt er gar, dass er meine Gesellenstelle einnehmen könnte?
Leider ebbt das Geschwätz über meine gelungene Transmutation im Juley nicht ab (was ich ebenfalls Siebert zu verdanken habe, da bin ich mir sicher). Es scheint, als ob es die Spatzen von den Dächern pfeifen. Ich frage mich, wer die Ereignisse der damaligen Nacht öffentlich gemacht hat. Ich glaube nicht, dass es Schrader war, traue aber Siebert zu, dass er sich in einer Schenke unserer Tat gebrüstet hat. Trotz seiner Größe ist auch Berlin nur ein Dorf, in dem sich Worte so schnell verbreiten, wie es die Pest tun würde.
Das wäre alles nicht schlimm, wenn es nur nicht diese schrecklichen Fehlschläge gegeben hätte. Ich frage mich nun, ob der Stein der Weisen seine Wirkung verlieren kann. Ist das alte Mittel verdorben? Lascarius hat nie erwähnt, wie lange es haltbar ist. Doch kann etwas, das ewiges Leben bewirkt und die Elemente wandelt, an Kraft verlieren? Sollte ich vielleicht neues Arkanum herstellen?
Das ist nach reiflicher Überlegung das Vernünftigste. Das Rezept halte ich verborgen und bisher habe ich nicht gewagt, es zu versuchen. Aber um Gewissheit zu erhalten, ob das Arkanum zerfallen kann oder alles nicht vielleicht doch nur ein großer Schwindel war, muss ich das Experiment wagen.
Gleich heute Abend …
Der August war vergangen und der September schritt voran. Das Laub an den Bäumen hatte sich gelb und rot gefärbt, die Luft war kühl geworden und es schien, als würde die Welt allmählich erstarren. Das Licht nahm ab und es würde nicht mehr viel Zeit vergehen, bis der Winter Einzug hielt.
Die Narben auf ihrem Rücken machten sich aufgrund der Kälte hin und wieder bemerkbar, doch da es kein schlimmer Schmerz war, ignorierte Annalena ihn einfach und beschränkte sich darauf, ihren Rücken am Abend mit Melkfett einzureiben, damit die Haut geschmeidig blieb.
Röber hatte noch immer keine neue Magd eingestellt. Ob es daran lag, dass wegen der Gerüchte niemand mehr für ihn arbeiten wollte oder der Kaufmann Hildegard die Anweisung gegeben
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