Das Krähenweib
ihr, und im nächsten Augenblick erfasste ein wohliges Zucken ihren Schoss und breitete sich in ihrem gesamten Körper aus. Johann schien es zu spüren und wenige Sekunden später ergoss er sich in sie.
Keuchend aneinandergeschmiegt verharrten sie an der Wand, und es war ihnen egal, ob sie jemand sah und was er sich dabei dachte. In der Ferne hörte Annalena das klagende Maunzen einer Katze, und sie erinnerte sich plötzlich wieder an das kleine Gehöft im Wald.
An einem solchen Ort könnte ich mit Johann glücklich werden, dachte sie. Mit ihm muss ich Mertens nicht fürchten.
Als Annalena Johann verließ, war es schon weit nach Mitternacht. Nicht einmal der Nachtwächter war mehr unterwegs, und der Lärm aus den Schenken war verklungen.
Am Kontor angekommen, nahm Annalena den Weg durch die Hintertür, und als sie im Haus war, schob sie behutsam den Riegel vor. Sie strebte der Treppe zu, doch plötzlich trat ihr jemand aus der Dunkelheit entgegen.
»Wo warst du?«, fuhr er sie an. Es war Röber, hemdsärmelig, mit offenem Haar und unordentlich sitzenden Strümpfen.
Annalena prallte erschrocken zurück und stieß dabei gegen den Küchentisch. War er in ihrer Kammer gewesen? Hatte er zu ihr ins Bett kriechen wollen und nur ihr Fehlen hatte sie davor bewahrt?
Sie blickte zur Hintertür, aber Röber erahnte ihren Gedanken, sprang auf sie zu und riss sie zu Boden. Annalena schrie auf, doch es war kaum ein Ton erklungen, als er ihr schon seine nach Tinte und Metall riechende Hand aufs Gesicht presste.
»Sei besser leise«, raunte er in ihr Ohr. »Sonst überlege ich es mir noch mal mit dir.«
Annalena wusste nicht, was diese Worte bedeuten sollten und so wehrte sie sich nach Kräften. Sie war sich sicher, dass sich Röber jetzt nehmen würde, was er auf dem Wäscheboden nicht bekommen hatte.
Röber ergötzte sich einen Moment lang an ihrer Panik, dann sagte er: »Eigentlich müsste ich dich für deine gestrige Tat rauswerfen, aber ich kann es mir nicht erlauben, noch weiter in Misskredit zu geraten. Die Leute tuscheln überall, dass ich der Vater von Marlies’ Balg gewesen sei.«
Annalenas Versuche, sich zu befreien, waren vergeblich. Er war einfach zu schwer und zu kräftig, ihre Handgelenke drückte er schmerzhaft in einer seiner Pranken zusammen.
»Du wusstest es, nicht wahr?« Röber lachte fast hysterisch. »Aber das soll mich nicht mehr länger stören.«
Gleich stirbst du, schoss es Annalena durch den Kopf. Wenn du keine Möglichkeit findest, ihn loszuwerden, wird er dir die Kehle zudrücken.
»Ich bin mir sicher, dass du diesem Böttger den Platz zwischen deinen Schenkeln freigehalten hast. Und du wirst es nicht glauben, aber ich begrüße das mittlerweile! Du wirst die Leine sein, an der ich ihn führe. Du wirst diejenige sein, die ihn dazu ermuntert, mir treu zu bleiben, hast du verstanden?«
In Annalenas Ohren rauschte das Blut so wild, dass sie kaum hören konnte, was er sagte. Die Adern an ihrem Hals und ihren Schläfen waren geschwollen. Dennoch verstand sie Röbers Ansinnen.
»Ich werde jetzt meine Hand von deinem Mund nehmen und du wirst mir antworten. Und wehe dir, du schreist und weckst Hildegard damit. Eine Tote mehr oder weniger in der Spree wird niemanden jucken.«
Noch eine Weile ließ er die Hand, wo sie war, dann hob er sie langsam an.
Annalena wusste, wie die Antwort lautete, die er hören wollte. »Ich werde tun, was Ihr sagt«, keuchte sie zitternd, worauf Röber breit grinste.
»Ich wusste, dass du ein braves Mädchen bist«, sagte er und strich ihr über die Wange. Annalena drehte den Kopf zur Seite. »Und wer weiß, vielleicht wird dich der Bursche eines Tages zur Frau machen. Dann solltest du nicht vergessen, dass ich mildtätig zu dir war und mir nicht genommen habe, was mir zustünde. Aber wendet Böttger sich von mir ab, wirst du es bereuen. In jeder Hinsicht, das verspreche ich dir.« Mit diesen Worten erhob er sich von ihr.
Annalena konnte das Gewicht seines Körpers selbst dann noch spüren, als er die Küche schon verlassen hatte. Es war ein Gefühl wie schwere Feldsteine, die zu einem Grab über sie geschichtet worden waren.
Drittes Buch Alchemistenträume
Berlin, Herbst 1701
11. Kapitel
A us den geheimen Aufzeichnungen des Johann Friedrich Böttger:
O Hoffnung, o Segen der Götter, wo seid ihr geblieben! Alles hatte so gut und hoffnungsfroh angefangen, doch nun scheint sich alles ins Gegenteil zu verkehren.
Nachdem ich meine Prüfung vor dem Physikus
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