Das Krähenweib
getan, nur etwa so viel, dass es der Masse der Münzen entsprach, die in den Tiegel gegeben worden war. Hätte er alles hineingetan, hätten sich die Herren sicher über die veränderte Masse gewundert, so aber konnten sie nur staunen über die wundersame Verwandlung des unedlen Metalls in Gold. Später, wenn Zorn im Bett lag, würde er den Tiegel noch einmal erhitzen und dann auch noch den Rest ausgießen. Er brauchte ihn für spätere Experimente.
Als er den Blick hob, sah er, dass Schrader ihn anschaute. Nicht neidisch und auch nicht bewundernd, seltsamerweise schien Mitleid in seinen Augen zu glimmen.
Johann selbst hatte nicht das Gefühl, dass er Mitleid gebraucht hätte, nicht in diesem Augenblick des Triumphes. Natürlich empfand er ihn als schal, aber das tat nichts zur Sache. Er hatte Zorn sein Können bewiesen und würde jetzt hoffentlich in Ruhe laborieren können, ohne Gefahr zu laufen, seine Stelle zu verlieren.
12. Kapitel
A us den geheimen Aufzeichnungen von Johann Friedrich Böttger:
Ich werde das Gefühl nicht los, dass mir das Schicksal aus dem Abend, so erfolgreich er auch verlaufen ist, einen Galgenstrick dreht, dem ich nicht entkommen kann.
Wie ein Lauffeuer hat sich die Nachricht von meiner gelungenen Transmutation verbreitet. Die Postillen der Stadt breiteten die Geschichte aus, und am nächsten Tag fanden sich so viele Kunden wie noch nie in der Offizin ein. Sie gaben vor, etwas kaufen zu wollen, doch jedermann wusste, dass sie nur hergekommen waren, um mich anzuglotzen – wie den dressierten Affen einer Gauklertruppe.
Ich verkroch mich in die Defektur, doch ab und an schickte Zorn mich nach draußen, natürlich unter der Maßgabe, es zufällig wirken zu lassen. Ich glaube nicht, dass die Menschen an einen Zufall glaubten, aber sie waren zufrieden, wenn sie mich sahen. Tuschelnd steckten sie die Köpfe zusammen, wisperten entweder etwas davon, dass ich ein Auserwählter sei oder des Teufels, und gingen wieder, wenn ich in der Defektur verschwand.
In einem hatte der Pfarrer Winkler recht: Zorn hatte mit mir einen rechten Fang gemacht, denn die Leute, die kamen, kauften auch, um sich nicht den Ärger des Apothekers zuzuziehen. Die Taler und Pfennige klimperten auf dem Tresen und verschwanden in Zorns Kasse. So viel Metall, um Transmutationen durchzuführen …
Doch mittlerweile hat sich das Blatt gewendet. Gestern tauchte die Wache des Königs vor der Apotheke auf. Die Soldaten verlangten, mich zu sprechen, doch Zorn entschuldigte mich und sagte, dass ich nicht da sei. Die Soldaten glaubten ihm und verlangten daraufhin, dass er mitkommen solle. Wahrscheinlich hat mein Meister in dem Augenblick bereut, mich in Schutz genommen zu haben. Aber er konnte sein Wort nicht mehr zurückziehen, ohne als Lügner dazustehen, also fügte er sich dem Befehl, holte seinen guten Sonntagsrock und verließ die Apotheke. Wenig später konnte ich das Rumpeln einer Kutsche vernehmen, und ich war mir sicher, dass mein Meister darin saß.
Als ich nach oben ging, begegnete mir die Frau Zorn. Sie war keine Frau, die wütend über etwas wurde, sie informierte mich nur über das, was geschehen sei, ferner erzählte sie mir, dass ihr Mann meinen Regulus, den er in jener Nacht in Verwahrung genommen hatte, in die Tasche gesteckt hätte, für den Fall, dass der Unmut des Königs zu groß würde und er etwas bräuchte, um ihn gnädig zu stimmen.
Eine ungute Ahnung machte sich sogleich in mir breit. Würde der König fordern, dass ich die Transmutation vor seinen Augen wiederholte? Wollte er, dass ich ihm eine Kammer voll Gold schaffte?
Nein, solcherlei ist mir nicht möglich, vermutlich wird es mir auch nie möglich sein. Mittlerweile bin ich mir nicht mehr sicher, ob es nicht besser gewesen wäre, zu scheitern. Die Probe in Zorns Keller konnte ich nur durch eine List bestehen. Ich brauchte den sicheren Erfolg, damit ich meine Forschungen fortsetzen konnte. Der Rummel um meine Person lässt mir jedoch kaum Zeit zum Weiterforschen. Ich fühle mich wie ein Tanzbär, der vor einem sensationslustigen Publikum vorgeführt wird.
Doch wenn ich ehrlich bin, wollte ich denn nicht Ruhm? Wollte ich nicht, dass jedermann meinen Namen kennt? Das ist jetzt der Fall, und ich muss damit leben.
Am frühen Morgen war der Meister jedenfalls immer noch nicht zurück. Unsere Prinzipalin war darüber recht besorgt. Bisher war es noch nie geschehen, dass der König nach ihrem Mann geschickt hatte – noch dazu ohne einen
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