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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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besonderen Grund anzugeben. Beim Frühstück traf mich Frau Ursulas vorwurfsvoller Blick, und ich wusste, dass mich bei Zorns Rückkehr ziemliches Ungemach erwarten würde. Ich werde dennoch versuchen, so ruhig und konzentriert wie möglich mit meiner Arbeit zu beginnen, auch wenn sich wieder einige Leute die Nase an den Fenstern der Defektur plattdrücken werden.
    »Verflixter Bengel!«, tönte es durch die Apotheke. Johann, der seine Niederschrift diesmal im Keller machte, spürte, dass dieser Ausruf mehr war als der Zorn eines Lehrmeisters über seinen Gesellen.
    Er legte die Feder beiseite und verstaute das Pergamentheft unter seinem Hemd. Dann schickte er sich an, das Laboratorium zu verlassen.
    Wenige Augenblicke später stürmte ihm Zorn jedoch schon entgegen. Sein Gesicht war bleich, Schweißperlen rannen von seiner Stirn. »Ich habe dir doch gesagt, dass du uns damit in Teufels Küche bringen wirst.« Er reichte Johann das Schreiben, das er vom König erhalten hatte, und wetterte dann weiter. »Ich habe mich fragen lassen müssen, warum ich einen solchen Schatz so lange vor Ihrer Majestät verborgen habe. Um ihn zu besänftigen, war ich sogar gezwungen, ihm den Goldregulus zu überlassen, den du in der Nacht hergestellt hast! Ich musste die ganze Nacht …«
    Johann kümmerte sich nicht um die Worte seines Meisters, sondern brach das Siegel und las die feine Schrift, die sich über das Blatt zog. Er wurde blass um die Nase. »Ich soll zum König kommen und mein Experiment wiederholen«, sagte Johann und unterbrach damit fürs Erste den Wortschwall des Prinzipals.
    Zorn atmete schnaufend aus. »Wenn dir das Experiment einmal gelungen ist, wird es dir wohl auch ein zweites Mal gelingen, oder? Du wirst dem Befehl Ihrer Majestät Folge leisten! Man sagte mir, dass morgen früh eine Kalesche vorfährt, die dich ins Königsschloss bringt. Du wirst dem Befehl Ihrer Majestät Folge leisten und das Experiment vor ihm wiederholen, hast du verstanden?«
    Johann war zu betäubt, um zu nicken oder etwas zu sagen. Siedend heiß und eiskalt zugleich wurde es ihm. Er dachte mit Schrecken an sein gestriges Experiment, das einen so schlechten Regulus hervorgebracht hatte, dass er ihn wegwerfen musste. Wahrscheinlich habe ich einen Fehler bei der Zubereitung des Arkanums gemacht. Doch woher nehme ich jetzt neue Zutaten?
    Zorn beobachtete ihn, und die Falte zwischen seinen Augenbrauen vertiefte sich. »Ich habe dir gesagt, dass es nur Ärger bringen wird, Junge. Aber du wolltest ja nicht auf mich hören.«
    Nein, das hatte Johann nicht gewollt. Aber nun war es geschehen und er musste darauf vertrauen, dass sich vor ihm ein Ausweg auftat. »Ich werde mich morgen bei Ihrer Majestät vorstellen«, sagte er und faltete das Schreiben zusammen.
    »Dann geh hinauf und pack deine Sachen. Ich bin mir sicher, dass der König dich für ein Weilchen auf seinem Schloss behalten will.«
    Johann nickte gehorsam und ließ seinen Blick noch einmal durch das Laboratorium schweifen. Es würde ihm sicher sehr fehlen. Genauso wie Zorn und seine Frau und Schrader. Die gesamte Apotheke würde ihm fehlen. Durch seinen Glauben, den Stein der Weisen in der Hand zu halten, hatte er alles verdorben.
    Aber vielleicht lachte ihm doch noch das Glück. Immerhin hatte er einen Gönner – und er hatte Annalena. Vielleicht würde ihm einer der beiden einen Ausweg aufzeigen.
    Er eilte also an Zorn vorbei in die Offizin und von dort in sein Zimmer. Heute Abend würde er vorgeben, zum König zu gehen, und dieses Haus für immer verlassen.

    Der Abend brach über Berlin herein. Da sich der Himmel mit Regenwolken bezog, schien die Dunkelheit noch schneller als sonst voranzuschreiten.
    Annalena stand am Fenster, und während sie gedankenverloren das Geschirr wusch, schaute sie hinauf zum Himmel.
    Ach Johann. Was machst du gerade?
    Seit dem Sonntag, seit sie im Streit voneinander geschieden waren, hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Die Leute schwatzten sich allerdings die Mäuler wund: Sie erzählten, dass der Geselle des Apothekers Zorn wahrhaftig Gold machen konnte. Sie hörte es jeden Tag am Brunnen, und häufig sammelte sich eine Menschentraube vor der Zorn’schen Apotheke. Sie hatte schon mit dem Gedanken gespielt, sich unter die Leute zu mischen, die so dringend einen Blick auf Johann werfen wollten. Doch dann hatte sie davon abgesehen. Nein, sie wollte ihn so nicht sehen, insgeheim befürchtete sie sogar, dass er hochmütig geworden sein könnte.
    Ein Klopfen

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