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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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darüber werde ich erst treffen, wenn wir in Wittenberg angekommen sind.
    A. liegt mir damit glücklicherweise nicht in den Ohren, wie es andere Frauen getan hätten. Sie ist zufrieden mit dem, was der Tag ihr bringt, und sie scheint überzeugt zu sein, dass es immer einen Weg voran gibt, immer einen Ausweg, egal aus welcher Lage.
    Jetzt, wo ich sie ständig bei mir habe, entdecke ich mehr und mehr Dinge an ihr, die mich faszinieren. Sie ist schweigsam, aber nie habe ich das Gefühl, dass Schweigen zwischen uns herrscht. Wenn ihre Augen, so grau wie der Himmel an einem regnerischen Tag, in die Ferne blicken, als könnte sie dort Dinge sehen, die anderen verborgen blieben, frage ich mich, was in ihr vorgeht. Erst jetzt habe ich bemerkt, dass ich so gut wie nichts über sie weiß. Sie war Magd, sie kommt aus dem Mecklenburgischen, aber bislang hat sie kein Wort darüber verloren, wie ihre Kinderzeit und das Leben vor unserem Zusammentreffen ausgesehen hat. Aus dem Nichts scheint sie gekommen zu sein, und unsere Begegnung scheint das Werk des Schicksals zu sein, denn ohne sie wäre ich gewiss verloren gewesen und würde jetzt in einem Turm des Cöllner Schlosses schmoren.
    Dank A. bin ich frei und kann von einem Leben jenseits von Kerkermauern träumen. Und das tue ich jedes Mal, wenn ich ihr Haar sehe, das so dunkel ist wie die schützende Nacht.
    Sie fuhren zwei Tage, ohne zu rasten, und bemühten sich, abseits der gängigen Wege zu bleiben – sofern das Gelände es erlaubte. Ab und an mussten sie auf eine größere Straße zurückkehren, und das erfüllte Annalena mit so großer Unruhe, dass sie oftmals darauf bestand, auf dem Kutschbock zu bleiben, obwohl ihr die Augen beinahe von allein zufielen und Johann sich zum Schlafen in den Wagen zurückzog. Doch wie sollte sie Schlaf finden? Sie war sich sicher, dass inzwischen Flugblätter mit einer Zeichnung von Johann ausgegeben wurden, damit die Leute, die auf die Prämie aus waren, ihn erkennen konnten.
    Gewiss hatte Röber den Zeichnern eine gute Beschreibung geben können. Und er hatte ihnen sicher auch gesagt, wie Annalena aussah. Frauen mit so schwarzen Haaren waren in dieser Gegend selten, und wenn man sie obendrein Zigeunerin nannte, würden die Leute sie ohne Bedenken anklagen. Aus diesem Grund hatte sie sich ein Tuch, das sie im Wagen gefunden hatte, um den Kopf gebunden, denn ihre Haube war in Röbers Haus geblieben. Mit dieser Tarnung fühlte sie sich ein wenig sicherer.
    Am dritten Tag ihrer Flucht wurden sie gegen Abend von einem Unwetter überrascht. Blitze zuckten über den Himmel und Donnergrollen ließ die Erde erbeben. Der Regen setzte zögerlich ein, wuchs sich dann aber zu einer wahren Sintflut aus, die so heftig auf die Wagenplane einstürzte, dass sie fürchteten, sie würde reißen. Die Wassertropfen waren groß wie Kiesel und durchnässten alles innerhalb weniger Augenblicke.
    Annalena bot Johann an, die Zügel zu übernehmen, doch der weigerte sich. »Bleib du drinnen, ich will nicht, dass du dir was einfängst.«
    »Aber ich bin doch schon nass, es tropft an allen Ecken und Enden durch das Segeltuch.«
    »Trotzdem bleib besser hinten, ein löchriges Dach über dem Kopf ist besser als gar keins.«
    Als der Regen fast schon wieder aufhörte, fanden sie schließlich eine Feldscheune. Dunkel, fast drohend, erhob sie sich gegen den Abendhimmel, der immer noch von schweren Wolken verdunkelt wurde. Blitze fuhren über den Horizont, und auch das Grollen blieb. Annalena kam es sogar so vor, als käme es schon wieder näher.
    »Wenn wir Pech haben, wird die Scheune so voller Stroh und Heuhocken sein, dass wir selbst kaum Platz haben«, sagte Johann, befestigte die Zügel und kletterte vom Kutschbock.
    »Aber wenn wir Glück haben, werden wir und die Pferde samt Wagen ebenfalls Platz haben. Komm, lass uns nachschauen.« Annalena sprang auch vom Wagen, ging zum Tor und versuchte, den schweren hölzernen Riegel, mit dem die Torflügel verschlossen waren, beiseitezuschieben.
    Johann sprang ihr bei, und wenig später klaffte das Tor wie das Maul eines riesigen Ungeheuers auf. Wieder zuckte ein Blitz über den Himmel und beleuchtete für einige Sekundenbruchteile das Innere der Scheune. Der Augenblick genügte, um sie erkennen zu lassen, dass die Scheune leer war. Offenbar war sie schon seit einiger Zeit nicht mehr genutzt worden. Etwas Stroh gab es, aber das war auf dem Boden verstreut und schien schon einigen Menschen als Lager gedient zu haben. Annalena

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