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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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sie zur Tür des Schreibkabinetts.
    »Wohin willst du?«, fragte plötzlich eine Stimme.
    Annalena spürte seinen Blick wie einen Stich in den Rücken. Langsam drehte sie sich um. Der Kaufmann stand am Fuße der Treppe. Offenbar hatte er nur vorgetäuscht, nach oben zu gehen. Und sie hatte vor lauter Sorge um Johann nicht richtig aufgepasst!
    Röber kam mit einem gefährlichen Blitzen in den Augen auf sie zu. Annalena fühlte sich wie gebannt von diesem Blick, von der Angst vor dem, was jetzt unausweichlich passieren würde. Eine Lähmung überfiel ihre Glieder. Wieder war es wie damals, wenn Mertens auf sie zukam, mit dem Gürtel in der Hand. Röber hatte nichts in der Hand, aber das brauchte er auch nicht, um sie zu überwältigen.
    Annalena überlegte panisch, ob sie fliehen oder sich zur Wehr setzen sollte. Wenn sie flüchtete, würde sie Johann zurücklassen müssen. Das kam für sie nicht in Frage. Sie musste also kämpfen, mit allem, was sie hatte! Ich brauche eine Waffe, schoss es ihr durch den Kopf. Sie musste irgendetwas in die Hand bekommen, mit dem sie auf ihn einschlagen konnte. Der Besen!
    Als sie zur Seite schnellte, sprang Röber plötzlich vor. Annalena wollte ausweichen, doch er erwischte sie an ihrem Hemd, und zerrte sie so heftig zurück, dass er den Stoff entzweiriss. Verzweifelt schlug sie um sich, versetzte ihm dabei auch eine Ohrfeige, doch seinem Griff konnte sie nicht entgehen.
    Erst im nächsten Augenblick wurde ihr klar, was der gerissene Stoff bedeutete, und das ließ sie erstarren.
    Das Mondlicht war vielleicht nicht stark genug, um sämtliche Schatten zu durchdringen, doch es reichte aus, um die Narben auf ihrem Rücken sichtbar zu machen.
    »So, du hattest ein Geheimnis vor mir«, sagte Röber siegesgewiss und zog sie noch näher zu sich. »Sag, wofür hast du diese Striemen bekommen? Hast du gestohlen? Oder gehurt?«
    »Ich habe nichts getan«, verteidigte sie sich, doch an Röber waren diese Worte verschwendet. Er zerrte sie hinter den Tresen und drückte sie dort gegen das Regal. Als er sich gegen sie lehnte, spürte sie, dass sein Gemächt hart war.
    »Nichts hast du getan, wie?«, keuchte er. »Ich denke aber doch, dass du eine kleine Hure bist. Du wolltest doch sicher zu deinem Goldjungen und es mit ihm treiben, nicht wahr? Aber zuerst werde ich dich gut schmieren.«
    Stöhnend vergrub er sein Gesicht an ihrem Hals, und im nächsten Moment konnte sie seine Zähne spüren.
    Annalena schrie auf, und gleichzeitig erwachte eine unbändige Wut in ihr. Wehr dich! So etwas wie bei Mertens darf nicht noch einmal passieren. Niemals wieder! Sie schlug auf ihn ein und versuchte, ihm ihr Knie zwischen die Beine zu rammen, doch Röber wich spöttisch lachend zur Seite aus und fing mühelos ihre Fäuste auf.
    »Wehr dich nur! So bereitet es mir noch mehr Freude!«
    Als sie zornig vorschoss, um ihn ins Gesicht zu beißen, versetzte er ihr eine schallende Ohrfeige.
    »Verdammtes Miststück!«
    Annalenas Kopf flog zur Seite, und als sie ihre Arme hochriss, um einen weiteren Schlag abzuwehren, stieß sie eines der Gläser aus dem Regal. Das helle Klirren der Scherben brachte sie auf eine Idee.
    Während Röber brutal zwischen ihre Beine griff, tastete sie mit der Hand zur Seite und spürte plötzlich Kälte an ihren Fingerspitzen. Ohne lange nachzudenken, griff sie nach dem Glas und holte mit einem wütenden Aufschrei aus.
    Röber gewahrte die Bewegung zu spät. Das schwere Glas traf ihn an der Schläfe, so hart, dass sein Kopf zur Seite knickte. Er stolperte zurück und versuchte, sich festzuhalten, doch seine Arme und Beine versagten ihm den Dienst. Vor Annalenas Füßen brach er zusammen und regte sich nicht mehr.
    Schwer atmend ließ sie das Glas zunächst sinken, dann fallen. Der Inhalt, was es auch sein mochte, rieselte auf ihn nieder. Hatte sie ihn getötet?
    Sie konnte Röber im Halbdunkel nicht richtig erkennen, sie konnte nicht sehen, ob Blut aus seiner Wunde floss oder er überhaupt noch atmete. Alles, was sie tun konnte und tun wollte, war so zu reagieren, wie sie es damals in Walsrode getan hatte: Sie rannte. Mit langen Schritten durchquerte sie den Verkaufsraum, dann das Kabinett, und schon kam sie am Lager an.
    Johanns Schlaf war nicht mal halb so fest, wie sie gedacht hätte. Als sie die Tür aufriss, fuhr er von seinem Strohsack auf.
    »Was ist?«, fragte er erschrocken, als er Annalena erkannte.
    »Wir müssen fort«, antwortete sie mit erzwungener Ruhe. »Röber hat dich an die

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