Das Kreuz am Acker
nach dem jungen Rankl um:
»Wirst halt bald einmal heiraten müssen.«
»Wüßt gar net, wo ich in die Freit hingehen sollt!« lachte er.
»Ich wüßt es schon«, schmunzelte der Schwaiger geheimnisvoll und verabschiedete sich.
Im Nebenzimmer des Gasthauses »Zum grünen Tannenbaum« fand nach dem sonntäglichen Gottesdienst die erste Sitzung des Gemeinderates im neuen Jahr statt. Da war der Gruber als Bürgermeister, der Stegmüller, der Kramer, der Müller von der Frohnauermühl und ein Häusler aus dem Dorf, der Schwaiger und der ödbauer von Hintereben und der Samer, ein Einöder aus einem anderen Talwinkel. Dazu gehörten auch der Pfarrer als Waisenrat und Armenpfleger und der Lehrer, der nebenbei als Gemeindeschreiber tätig war und dem Bürgermeister die Akten und Unterlagen für die Sitzung zurechtlegte und hinschob. Alte, gestandene Männer waren es, die in diesem Rat zusammen saßen, nur der Kramer, träg und fettgepolstert, mit schnellen und listigen Augen, hatte noch kein graues Haar. Er war der ungute Geist dieser Gemeinde und von einigen unzufriedenen Häuselleuten und Dienstboten gewählt. Schon ehvor der Gruber mit der Sitzung begann, flogen seine Blicke von einem zum anderen, und hörte er auf jedes Wort, das zwischen den Männern gewechselt wurde.
Der Bürgermeister eröffnete die Sitzung, und der Gemeindeschreiber haspelte leiernd einige Schreiben herunter, die stumm und ohne viel Interesse angehört wurden. Heute hatte sich jeder auf die Hauptpunkte der Tagesordnung eingestellt, und sie hielten sich zurück, bis diese an der Reihe waren.
»Da ist nun die Sache mit dem Hetscher«, begann der Gruber und fixierte einen nach dem anderen, um vorneweg etwas von ihren Gedanken aus den Gesichtern zu lesen. »Der Herr Pfarrer meint, daß man ihn doch in eine Anstalt einweisen lassen sollte, weil in der Gemeinde auch niemand ist, der ihn in die Pflege nehmen will. Die Anstaltskosten können zu einem kleinen Teil durch den Wert des Besenbinderhäusels und des dazugehörigen Grundstücke gedeckt werden. Lebt er aber noch lange, dann muß die Gemeinde halt in den sauren Apfel beißen und die Kosten tragen.«
»Hat die Gemeinde soviel Geld?« quietschte der Kramer mit seiner hohen Stimme, und der Ödhofer setzte hinzu: »Das hätt ich auch fragen wollen.«
»Allweil die Gemeinde! Wir kennen uns eh nimmer aus vor lauter Umlagen!« bohrte der Kramer weiter. Da nahm der Pfarrer das Wort:
»Die Erscheinungen geistiger Umnachtung treten beim Adamsberger in der letzten Zeit so häufig auf, daß man befürchten muß, er könnt einmal was anstellen. Der Wachtmeister Braun hat mir mitgeteilt, daß der Hetscher auf ihn mit einer Hacke losgegangen sei, und er sei noch nicht ganz sicher – ob nicht der Hetscher damals – er meinte, ob nicht der Besenbinder mehr wüßte vom Verschwinden des Rankl, als wir alle miteinander ahnen. Aus dem Narren war aber nichts herauszubringen.«
»Es gibt meiner Meinung nach auch noch andere Leut, die mehr wissen«, meinte der Kramer, schwieg aber sofort und zog den Kopf zwischen die fetten Schultern, als der Schwaiger ihn unter zusammengezogenen Augenbrauen hervor scharf anblickte.
»Tun wir ihn halt in Gott’s Namen in die Anstalt«, sagte der Gruber. »Vielleicht bringen sie dort etwas aus ihm heraus. Wenn er überhaupt etwas weiß.«
Da meldete sich der Schwaiger, und seine tiefe, grollende Stimme ließ die anderen schweigen. Sein Wort galt etwas in diesem Rat, und auch seine Art, eine Sache zu vertreten, duldete wenig Widerspruch. Das lange, hagere Gesicht wandte er nun dem Gruber und dem neben diesem sitzenden Pfarrer zu. Die düsteren Augen blitzten, als sähe er einen Streit kommen.
»Ich bin da anderer Meinung. So weit fehlt es beim Hetscher net. Gemeingefährlich ist er net. Die Gemeinde hat Lasten genug, daß wir net auch noch die Anstaltskosten tragen können. Wir müssen uns mehr kümmern um den Alten. Alleine kann der sich nimmer helfen und wird deswegen alleweil irrer. Nehmen wir ihn als Umgeher. Jeder Bauer gibt ihm an einem Tag in der Woche etwas Gescheites zu essen, und ich bin bereit, sein Häusel wieder etwas in Ordnung bringen zu lassen. Er macht gute Besen. Wenn jeder von uns seine Besen beim Hetscher machen läßt und der alte Mann damit eine Arbeit hat, dann kommt der wieder in das richtige Gleis.«
Der Pfarrer gab zu: »Ich wollte das nur einmal zur Sprache gebracht haben als Armenpfleger, und wenn es nicht sein muß, daß der Hetscher in eine
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