Das Kreuz am Acker
den beiden Frauen mit gefurchter Stirne nach. Fast hätte er die Agatha übersehen, die an ihm vorbeigehen wollte.
Bescheiden hatte sie den Kopf gesenkt. Ihre Augen waren rot verweint, und der dunkle Wollschal ließ ihre Wangen noch bleicher erscheinen. Sie war einfach und sauber gekleidet, trug aber keinen Mantel, sondern nur ein kurzes gestricktes Jäckchen.
Als er sie einlud, auf den Ranklhof zu kommen, sagte sie nur leise: »Wenn es deiner Mutter recht ist, gern«.
Sie folgte ihm, wie ein Dienstbote hinter seinem Bauern geht.
Es wurde wenig gesprochen beim Mittagessen auf dem Ranklhof, und auch der Nachmittag verging still. Oft beobachtete die Ranklin heimlich die Agatha, die sich erboten hatte, in der Küche zu helfen und schnell und geschickt anpackte. Am späten Nachmittag schickte sie die Kathl und die Agatha weg, um im Rothkopfhäusel nach den Ziegen zu sehen und das Haus gut zu versperren. Als sie wiederkamen, lag auf dem Tisch in der Stube ein großer Tannenzweig, und drei Kerzen brannten. Der milde Kerzenschein nahm die Verhärmtheit und die Strenge vom Gesicht der Ranklhoferin, und seltsam bewegt klang ihre Stimme, als sie entschuldigend sagte:
»Heuer haben wir halt keinen Baum. Aber ein Licht muß sein in der Weihnacht, daß man besser an das Christkindl denken kann. Weißt schon, Agatha, daß auch wir net mit Freuden feiern können.«
Neben dem Tannenast mit den Lichtern lagen die Geschenke. Sie gab der Kathl das ihr zugedachte Christgeschenk, Hemden und Stoffe und Strümpfe, und wies auch dem Franz das Seinige: Ein Trachtenjanker mit Hirschhornknöpfen, ein Hut mit einem Birkhahnstoß und noch einige Kleinigkeiten. Dann wandte sie sich mit einem Lächeln, das der Franz nie vergaß, denn es war das erste seit dem Verschwinden des Vaters, an die Agatha:
»Und dich hat das Christkindl auch net vergessen.«
Sie ging in die Kammer, und als sie wiederkam, hatte sie einen festen Wollmantel über dem Arm hängen und ein Paar neue wollene Strümpfe dazu.
»Das gehört dir, du kannst es brauchen.«
Da liefen wieder die Tränen über die blassen Wangen der Agatha und erstickten den gestammelten Dank.
Es gab noch für jedes einen großen Teller voll Süßigkeiten, und als sie dann um den Tisch saßen und auf die niederbrennenden Kerzen blickten, hatte der junge Bauer das frohe Gefühl, als wäre in dieser Stunde wieder Friede und Freude eingekehrt in den Ranklhof. Er wurde gesprächig, und die Mutter, die für diesen Abend ein besseres Gewand angezogen hatte, hörte ihm zu und sprach in ihren Reden und Antworten mehr als zuvor in einer Woche. Es war, als wäre auch von ihr ein Teil des Kummers abgefallen. Oft schaute sie wohlwollend hinüber zur Agatha, die den Blick nicht von dem erzählenden Bauern ließ. Als eine Überraschung holte dann der Franz noch eine Flasche Wein herbei und steckte in den Ofen die großen Klötze, die man das Jahr über für die Mettennacht zusammengelegt hatte.
Die Kathl richtete sich zum Mettengang, die anderen wollten daheimbleiben. Sie kamen auch darauf zu reden, daß die Dirn zu Lichtmeß ausstehen wollte.
»Wenn die Bäuerin mich nehmen möcht?« meinte die Agatha schüchtern.
Ein freudiger Schimmer huschte über die Züge der Ranklin. »Dich nehm ich gern! Mußt aber auch wissen, warum die Kathl geht. Sie will in dem Unglückshaus nimmer bleiben!«
»Ich möcht schon«, sagte die Agatha schnell.
»Na also!« freute sich der Franzi. »Du bist mir schon lieber als die grantige Kathl!«
Und derweil sie noch redeten, kamen sie darauf, daß sie die Agatha gleich ins Haus nehmen könnten, mitsamt ihren Geißen und was sie sonst noch hatte. Denn was sollte sie allein im Rothkopfhäusel anfangen? Man wollte am nächsten oder übernächsten Tag alles herunterbringen.
Die Ranklin selbst brachte nach Mitternacht das Dirndl in das Bett in der guten Stube im oberen Stock. Als sie wieder in die Stube kam, legte der Franzi ihr den Arm um die Schulter:
»Mutter, diese Weihnacht vergeß ich net, solang ich leb! Du bist halt doch eine tapfere Frau, und es wird schon wieder werden bei uns.«
Und als er auch seine Kammer aufsuchte, ertappte er sich dabei, wie er leise vor sich hinpfiff.
Als die Mettengeher vom oberen Talwinkel am drüberen Hang entlang zur mitternächtlichen Andacht ins Dorf wanderten, blieben sie vor dem finsteren Häusel des Hetscher stehen.
Es brannte kein Licht hinter dem Stubenfenster, aber sie hörten den irren Alten jammern und fluchen, und als sie
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