Das Kreuz am Acker
Gemeinderatssitzung war und vielleicht so schnell nicht heimkäme, dachte sich der Bauer. Er setzte sich auf das Kanapee und ließ sich von der Hauserin die Schuhe ausziehen.
»Reiß mir nur grad net die Füß aus!« knurrte er, nur, um die gespannte Stille zu unterbrechen. Da ihm das Schweigen daraufhin wieder zu lange dauerte, wandte er sich an Braun.
»Was gibt es Neues? Weiß man schon etwas vom Rankl?«
»Grad vorhin haben wir davon gesprochen«, glaubte die Barbara etwas zum Fluß der Rede beitragen zu müssen.
»Was habt ihr gesprochen?« Unter zusammengezogenen Brauen hervor fixierte der Bauer die drei.
»Ich hab halt da so meine Theorie entwickelt, wohin ein Mensch überhaupt verschwinden kann«, wandte sich Braun nun an den Bauern. »Aber Theorie ist halt Theorie.«
»Hm, und wie heißt da Ihre Theorie?« Interessiert fragte der Schwaiger, und die Barbara horchte auf. Der plötzliche Tonfall in der Stimme ihres Vaters war geheuchelt. Das hörte sie heraus.
»Ich meine, daß der Ranklhofer gar nicht so weit weg sein kann.«
»Und wo soll er da sein?«
»Vielleicht irgendwo unter der Erde!« antwortete Braun mit einem Unterton in der Stimme, der fast gereizt klang, so als wollte sich der Gendarm nun auf einen schärferen Meinungsaustausch einstellen.
»Hast du überhaupt was gegessen beim Wirt?« erkundigte sich nun die Barbara.
»Nein!« brummte der Schwaiger unwirsch.
Da machten sich die Hauserin und die Schwaigertochter schnell über den Ofen her, um das in der Bratröhre stehende Essen aufzuwärmen.
Der Gendarm schickte sich zum Gehen an und wurde mit einem kurzen, freundlichen Gruß entlassen. An der Türe wandte er sich noch einmal an die Barbara:
»Gehen wir also heute abend ins Kino?« Es schoß ihr die Röte ins Gesicht, und schüchtern antwortete sie: »Weiß net, ob’s dem Vater recht ist!«
»Steht net dafür, daß man wegen dem Lug und Trug in der Nacht und im Schnee herumrennt!« lehnte der Schwaiger grob ab.
»Dann vielleicht ein andermal, wenn der Schnee weg ist«, zwang sie sich zu einem Lächeln, und Braun ging.
Der Schwaiger sah ihm durch das Fenster nach.
»Was will denn der Grünfink nur von uns?«
»Von uns, glaub ich, will er nichts, aber eher von der Bärbel«, kicherte die Hauserin und stellte das Essen auf.
»Ist ja net wahr, Vater!« wehrte die Tochter ab. »Wegen mir geht er net her!«
»Was will er sonst?« Unwillig schlug er mit der Hand auf den Tisch. »Etwas erfahren will er! Dich ausfragen will er! Was will er denn wissen? Der hat genau gewußt, daß ich nicht daheim bin. Um was hat er dich gefragt?«
»Er hat um gar nichts gefragt!« wurde die Barbara trotzig, sprach aber doch nach einigem Überlegen weiter. »Doch – einmal wollte er wissen, ob jemand dabei gewesen ist, als der Gaul dich geschlagen hat.«
Da fiel dem Schwaiger die Gabel aus der Hand.
»Und was hast du geantwortet?«
»Daß ich das net weiß und er den Sepp fragen soll.«
Unlustig legte der Bauer Messer und Gabel hin und schob das Essen zurück. »Wo ist der Sepp?«
»Wird beim Wirt im Dorf drunten sein.«
An diesem Nachmittag sprach der Schwaiger kein Wort mehr. Er lag auf dem Kanapee und döste vor sich hin. Und als man auf dem Hof am Abend ins Bett gegangen war, tappte er noch lange durch die Stube und führte leise Selbstgespräche.
»Der muß weg! Ich nehm den Bürgermeister an, dann bring ich ihn schon weg! Auch die Sache mit dem Hetscher kann ich als Bürgermeister besser in die Hand nehmen. Der Franzi und die Bärbel, es muß noch recht werden – das mach ich noch – dann – «
Der Winter gehört im Bayerischen Wald der schweren Waldarbeit. Wenn der Gäubauer Zeit hat, sich auf die kommenden Monate des Säens und Erntens vorzubereiten, darf der Waldbauer die Hände nicht müßig in den Schoß legen. Der Hauptteil seines bäuerlichen Besitzes ist gar oft der Wald und dessen Nutzung. Was er im späten Herbst dort fällt, muß er im Winter ins Tal bringen, und das ist keine leichte Arbeit. Die Stämme müssen aus dem tiefen Schnee geschaufelt werden, und auf dem Holzschlitten bringt man sie zum Hof, auf den Lagerplatz oder in die Sägemühle. Wenn noch die Winternacht ihre Dunkelheit über Tal und Berg breitet, ziehen die Bauern mit den Ehhalten und dem Ochsengespann oder dem Handschlitten schon aus, um mit der Tageshelle droben am Berg die Arbeit beginnen zu können. Und erst der späte Abend sieht sie wieder heimwärts ziehen.
Der Wald auf dem Nothackerriegel
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