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Das Kreuz am Acker

Das Kreuz am Acker

Titel: Das Kreuz am Acker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Friedl
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»Agatha, mach das Fenster zu«, flüsterte er.
    Sie tat es. Draußen begann es schon zu dunkeln. Die Ranklhoferischen würden bald heimkommen.
    »Lang kann ich nimmer dableiben«, sagte sie, als sie zum Lager zurückkehrte, »die Bäuerin weiß net, wo ich bin.«
    »Agatha, eine Weil noch – dir sag ich es – hörst – der Hetscher weiß, wo der alte Ranklhofer hingekommen ist – der Hetscher weiß es – sag aber nix – sie bringen mich um!«
    Und als reute es ihn plötzlich, daß er das Dirndl zur Mitwisserin machen wollte, wurde er wieder aufgeregt, und der Schweiß rann ihm über das Gesicht. »Sag nix – sag nix – und wenn sie dich erschlagen –«
    Sie war bleich geworden vor Schreck: »Du weißt, wo der Rankl ist? Warum sagst du es net, die Bäuerin grämt sich soviel ab, und du könntest ihr viel Ungewißheit nehmen.«
    »Der lebt nimmer, Agatha – der lebt nimmer – aber sag nix – sag gewiß nix – die bringen mich um!«
    Der jungen Dirn wurde übel vor Schreck. Sie hörte das Herz bis in die Schläfen pochen, und Lichter tanzten vor ihren Augen.
    »Hetscher, um Gottes willen – was ist – «
    Der Alte kicherte böse und röchelnd, und hustend keuchte er hervor: »Der Hetscher stirbt noch lange nicht, und bevor er stirbt, sagt er dir das noch, dir und dem Pfarrer.« Dann krümmte er sich zusammen und zog sich die Roßdecke bis an den Hals, als fürchte er sich.
    Draußen gingen Leute vorbei, und den Kopf hebend, horchte er gespannt.
    »Laß niemand herein, gell, Agerl, laß niemand herein! Die bringen mich um! Sag nix – keinem Menschen.«
    »Ich sag nix!« flüsterte sie und rannte zur Türe.
    Hinter sich hörte sie den Alten noch winseln und plappern.
    Ganz verstört kam sie auf dem Hof an. Inzwischen waren die Bäuerin und der Franz schon heimgekommen, und die Ranklhoferin hatte bereits die Milchsuppe für den Abend gekocht.
    »Bist krank?« fragte sie die Dirn, als diese käsweiß in die Stube trat.
    »Mir ist gar net gut.«
    »Leg dich nieder, heut brauch ich dich ja nimmer«, riet ihr die Bäuerin. Als die Agatha gegangen war, meinte sie zum Franz:
    »Fast hab ich Angst um das Dirndl. Ist mir schier wie ein leibhaftiges Kind ans Herz gewachsen. Ist aber kein Wörtel aus ihr herauszubringen, damit man wenigstens wüßt, was sie für einen Kummer hat.«
    Der Franzi zerkrümelte ein Brotbrösel auf der Tischplatte und erwiderte nichts. Aber er saß am Abend noch lange in der Stube allein und dachte an diesem Tag über vieles nach. Vieles, mit dem er nichts anzufangen wußte.
    »Ich kenn mich selber nimmer aus«, beschloß er seine Gedanken halblaut und stieg in seine Kammer hoch. Mit dem Straßenbau wurde schon in den ersten Tagen nach Ostern begonnen, und die ersten auswärtigen Arbeitskräfte trafen im Dorf ein. Durch den Birkenwald am Rande der Ortsflur bis hinauf zu den Hochäckern unterm Nothackerwald wurden die Bäume in der Breite der Straße ausgeholzt und beim Dorfausgang mit den Erdarbeiten begonnen. Zu den Arbeitern gesellte sich bald ein Bagger, der Erdreich und Gestein aus dem Boden riß und in die Loren entleerte, die über eine kleine Feldbahn liefen. Das ganze Dorf war aufgescheucht, und an den Abenden wurde die Gaststube des Dorfwirtes nicht mehr leer.
    Darüber fiel alles Gewesene weit in die Vergangenheit zurück, und die alten Geschichten des Dorfgeredes verstummten. Es gab so viel Neues, daß man davon genug zu reden hatte.
    Auf dem Schwaigerhof in Hintereben war der Ingenieur Wallenbeck nun endgültig eingezogen, doch hatte er mit dem Straßenbau so viel zu tun, daß er wenig mit den Schwaigerleuten zusammenkam. Blieb ihm dann am Abend eine Stunde übrig, saß er gerne auf der Holzaltane vor seinem Stübchen, rauchte dort seine Pfeife oder zeichnete und rechnete an den Bauplänen. Ihm schien es, als wollte man ihm auf dem Hof aus dem Wege gehen und wünschte keinen näheren Anschluß. Nur die Hauserin, die sich besonders um ihn bekümmerte, war gesprächig. Wenn er Zeit fand, zum gemeinsamen Mittagessen zu erscheinen, dann wurde bei Tisch ganz wenig gesprochen, und seine Versuche, eine freundliche und unverbindliche Unterhaltung anzufangen, fanden beim Schwaiger und seiner Tochter wenig Widerhall. Müssen schon von Haus aus wenig gesprächig sein, dachte er sich und fand sich damit ab. Er wurde aber doch das Gefühl nicht los, daß die Barbara eine dankbare Zuhörerin war, wenn er etwas erzählte, und sie, nach Art all der Leute hier im Walde, nur länger brauchte,

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