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Das Kreuz am Acker

Das Kreuz am Acker

Titel: Das Kreuz am Acker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Friedl
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Häusel.
    Ruhig und im Halbschlummer der Kranken hatte der Besenbinder gelegen, nachdem der Pfarrer gegangen war. Sein ganzes Leben lang hatte er keine so helle innere Schau gefunden wie in diesen Tagen, und alles kam ihm fremd und wunderlich vor. Sein armes Dasein stand vor ihm in der Erinnerung auf in einer Klarheit, als hätte er alles erst vor Tagen erlebt. Viele Dinge, an die er kein Erinnern mehr hatte, die aber ein Stück in seinem Leben gewesen sein mußten, standen vor ihm, und deren Betrachtung machte ihn glücklich. Bis immer wieder nach einer Reihe von Bildern sich aus der Tiefe eine Erinnerung erhob, die ihn erschauern ließ und wieder zurückwarf in seine armselige Wirklichkeit: Ein Herbstabend droben auf den Äckern unter dem Nothackerwald. Er war wieder bei diesem Bild angelangt, als er durch ein Ge rausch am Fenster aus seinen Halbträumen geweckt wurde. Entsetzt fuhr er hoch und streckte abwehrend die Hände gegen das bleiche und harte Gesicht, das sich an die Scheiben drückte.
    Dann trat der Schwaiger in die Stube, grüßte freundlich und zog sich den Stuhl an das Lager des Besenbinders. Zitternd lag dieser und hatte die Finger in die Zudecke verkrampft.
    »Wie geht es, Hetscher?« fragte der Bürgermeister wohlwollend.
    Der Hetscher schwieg und achtete ängstlich auf jede Bewegung, die der Bauer machte.
    »Brauchst etwas? Sag es nur! Da muß einmal ein gescheites Bett herein. Ich laß dir eins bringen. Und der Doktor muß auch nachschauen.«
    »Ich – brauch nix«, stöhnte der Hetscher, »möcht nur meine Ruhe haben, bin soviel krank und sterben muß ich – da brauch ich kein Bett und keinen Doktor mehr.«
    »Sonst war ja das Stübl jetzt wieder ganz gut beinander«, sah sich der Schwaiger um.
    »Weiß es – hast es mir herrichten lassen – dank dir schön.«
    »Ist der Pfarrer dagewesen?« fragte der Schwaiger.
    » Ja .«
    »Hast schon gebeichtet?« Diese Frage klang nicht mehr so harmlos wie die vorhergehenden, und die Hände des Kranken zuckten.
    »Nein, morgen – früh – «
    »Mußt net beichten, was du net verbrochen hast, das weißt ja. Etwas, was dich nix angeht, brauchst du net zu beichten.«
    Da fing der Alte zu zittern an und bettelte:
    »Laß mir meine Ruh, Schwaiger, ich weiß nix und sag nix! Geh!«
    »Ich werd dir den Doktor herschicken.« Damit erhob sich der Bauer und trat grußlos aus der Türe.
    In einer lauen Maiennacht packte es den jungen Ranklhofer.
    Seit dem Ostermontag war er etliche Male auf dem Schwaigerhof wieder zu einer abendlichen Plauderstunde erschienen. Doch als einmal auch der Straßenbauingenieur Wallenbeck da war und sich als ein guter Unterhalter erwiesen hatte, spürte Franz keine rechte Freude mehr an dieser Sitzweil. Der junge und gewandte Straßenbauer konnte gute Späße machen und auch ernsthaft erzählen von der Welt draußen, in der ihn sein Beruf herumführte, und die Barbara war nur mehr Aug und Ohr gewesen für die Erzählungen des Einmieters auf dem Schwaigerhof. Da konnte der einfache Bauerssohn nicht mehr mitreden, und er fühlte sich zurückgesetzt und blieb für eine Weile dem Nachbarhofe fern.
    In dieser Maiennacht aber, da der Mondschein die Wiesen und Wälder einsilberte und die Nachtluft, die durch das offene Fenster in die Kammer des jungen Ranklhofer drang, das Werben und Werden des kommenden Sommers mittrug, da litt es ihn nicht mehr in dem engen Stübl, und er schlich sich aus dem Haus.
    Das frische Gras auf den Hangwiesen glänzte wie ein seidener Teppich, und an den Rainen sägten die ersten Grillen. Vorsichtig schlich er sich an den Schwaigerhof heran. Um das schlafende Haus spielte der Mondschein, und der röhrlende Wassergrand sang sein Nachtlied. Auf dem gleichen Weg, auf dem er sein Osterbinkerl überbracht hatte, über Holzstoß und Altane, kletterte er empor, nachdem er die Schuhe ausgezogen hatte, und geduckt drückte er sich oben an der Wand entlang. Da war die Stube, in der der Ingenieur wohnte, und die Türe daneben ging zur Barbara. Einige Male mußte er klopfen, bis sich drinnen etwas rührte und die Tür zur Altane einen Spalt aufgemacht wurde.
    »Was ist denn?« fragte die Barbara gar nicht freundlich und kühlte damit schon den Mut des Ranklhofer ab.
    »Ich bin’s, der Franz!« flüsterte er.
    »Was willst denn? Ist was passiert?«
    Er spürte, wie auch der letzte Rest seiner Schneid verflog, und sagte nur etwas zaghaft: »Wollt halt einmal auf einen kleinen Plausch kommen, hab net schlafen können.«
    Er

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