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Das Kreuz am Acker

Das Kreuz am Acker

Titel: Das Kreuz am Acker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Friedl
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wieder daheim. Und die Ranklin ist ein braves Weib und hat nix dagegen. Die tat mich auch länger dableiben lassen, aber ich möcht net, daß sie deswegen eine Arbeit mehr machen müßt.«
    »Herr Pfarrer, das Agerl ist ein lebendiger Engel«, hauchte der Hetscher, als das Dirndl gegangen war, und an diesem Tag zeigte der Kranke zum erstenmal dem Geistlichen das Ostergeschenk, das die Agatha ihm gebracht hatte. Er zog es aus dem Stroh seines Lagers hervor.
    Nachdenklich betrachtete der Pfarrer das Seidentüchl.
    »Meinst, daß es für dich bestimmt war?«
    »Gell, Herr Pfarrer, das hab ich alleweil schon denken müssen. Wie kam so ein Dirndl dazu, einem alten Dorfnarren ein Osterbinkerl zu bringen! – Jetzt freut es mich nimmer so, und ich werd ihr das wieder mitgeben«, sagte der Hetscher traurig.
    »Nein, nein, das darfst du auf keinen Fall! Das Dirndl darfst mir net vergrämen! Sie hat dir das gegeben, und sie wird wissen, warum. Behalt es nur! Hauptsache ist, daß es dich freut, und mehr wollte die Agatha doch nicht.«
    »Oh, freuen tut’s mich schon, sehr freuen!« sagte der Besenbinder mit strahlenden Augen. »Meinst, Herr Pfarrer, ich darf es behalten?«
    »Freilich! Tust dafür einmal ein Gesetzlein beten für die Agatha und ihre Mutter, wenn du so allein für dich daliegst.«
    »Ich halt viel Zwiesprach mit dem Herrgott«, hauchte der Hetscher, »und hab eine große Not. Wenn ich wüßt, daß ich morgen sterben müßt, dann tat ich heute etwas sagen. Ist keine Sünd, nein, ich hab nix verbrochen – aber ich muß es noch sagen, bevor ich sterb.«
    »So schnell wirst net sterben, Hetscher, und ich komm ja noch öfter. Sagst es mir halt einmal, wennst meinst, daß es an der Zeit ist. Bist halt deiner Lebtag ein armer Teufel gewesen. Heut tat dir auch gar nix nützen, wenn du ein reicher Bauer gewesen wärst. In dieser Stund kommen alle zusammen, die Kleinen und die Großen, und da sind sie alle gleich. Es ist gut, daß wir alle sterben müssen und daß da kein Unterschied gemacht wird.«
    »Herr Pfarrer, ich freu mich auf die andere Welt. Kannst mir net ein wenig sagen, wie es da drüben aussieht, und wie ich mich da verhalten soll?« meinte der Hetscher. Die Hände gefaltet, lag er und horchte angestrengt auf die Worte, die der Geistliche ihm sagte.
    »Das eine weiß ich ganz bestimmt, daß es da drüben kein Unrecht mehr gibt, daß einer net unschuldig hungern und frieren muß, daß dich dein krummes Bein gar nimmer kränken tut. Und das weiß ich auch, daß du ein schönes Platzerl kriegen wirst, Hetscher, wo du deine Ruh hast«, antwortete ihm der Pfarrer. Er nahm die Hand des Kranken und sah ihn lange an. So eine friedsame Seele geht selten von dieser Welt, mußte er denken, und dieser alte Mann wartete und freute sich auf seine Erlösung.
    »Ich möchte beichten, Herr Pfarrer«, hauchte der Hetscher müde.
    »Wirst mir net viel zu sagen haben, aber ich komm morgen früh mit dem Allerheiligsten, und bis dahin tust ein wenig nachdenken. Du wirst keine Schuld auf deinem Gewissen haben. Hast hie und da einmal einen Stecken Holz oder einen Schübel Besenreiser geholt, wo du es nicht hättest tun sollen. Der Herrgott weiß schon, daß das den Bauern net weh getan hat, und du hast davon leben müssen.«
    »Einmal hab ich dem Schwaiger Erdäpfel gestohlen, einen ganzen Korb voll«, gestand der Kranke.
    Über das gute Gesicht des alten Pfarrers glitt ein verhaltenes Lächeln. »Haben für den Hunger gehört, Hetscher, und der Schwaiger ist darum net ärmer geworden. Halt dich jetzt ruhig, und ich komm morgen in der Früh mit dem Herrn.«
    »Vergelt’s Gott, Pfarrer«, schnaufte der Besenbinder. »Du kannst gut trösten.«
    Der Geistliche betete ihm langsam das Vaterunser vor, und mit stockender Stimme sprach es der Hetscher mit. Als Pfarrer Kienleithner ins Dorf zurückwanderte, trug er einen Frieden mit sich, als käme er aus einer schönen Kirche.
    »Die schönsten Seelen, Herr, hast du in die ärmsten Herzen gegeben«, flüsterte er. Und der Frühlingstag erschien ihm doppelt schön und warm.
    Auf dem Schwaigerhof hatte sich der lange, hagere Bauer in der Stube hinterm Fenster postiert und gebückt, daß der Rücken ihn schmerzte, hinübergeschaut zum Besenbinderhäusel, um zu sehen, wie lange der Pfarrer dort blieb. Als dieser gegangen und am unteren Wegstück, das schon in die Bachschlucht führte, verschwunden war, verließ er das Haus und stapfte über den Wiesensteig und den Bach hinüber zu dem alten

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