Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kreuz am Acker

Das Kreuz am Acker

Titel: Das Kreuz am Acker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Friedl
Vom Netzwerk:
vergaß den schönen Frühlingstag, der durch das kleine Fenster in ihr schattenseitiges Stüberl leuchtete. Draußen sangen die Vögel auf dem blühenden Kirschbaum, und weiße Federwolken zogen am seidigblauen Himmel.
    Sind halt Bauern, und ich bin ein armes Leut.
    Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Augen.
    Wenn man niemanden mehr hat auf der Welt, dem man etwas von der Herzensnot sagen konnte! Wenn die Mutter noch lebte! Dann wäre sie gar nicht hierhergekommen und hätte die Seelenruh noch. Die Stille im Haus umschloß sie wohltuend und schied sie vom Sonnentag, der draußen den Sieg des Frühlings feierte. Ein paar junge Menschen plauderten fröhlich drüben den Weg zum Nothackerwald hinauf. Die Tauben gurrten auf dem Stadeldach.
    Ob die Mutter das alles weiß und mit ansieht? Was würde sie sagen? Mach dir keine unnützen Sorgen, Mädel, du bist noch jung, und jedes Jahr hat ein anderes Gesicht. Und eine Not, an der man selbst nicht schuld ist, läßt sich ertragen. Das Herzl ist etwas, was immer anders will als der Verstand, und kommen tut doch alles, wie es kommen muß.
    Sie trocknete die Tränen.
    Ja, so hätte die Mutter gesagt, und sie hatte ein notiges und bitteres Armeleutleben hinter sich bringen müssen, und da lernt man viel. Viel mehr, als der Wohlstand einem lehrt.
    Der Herr geb ihr die ewige Ruhe!
    So kam sie ins Beten für die Seele ihrer Mutter, und sie vergaß dabei ihren Seelenschmerz.
    Am späten Nachmittag schlug der Hund an und riß sie aus ihren Träumen. Der Sepp torkelte drunten auf dem Hangweg heimzu und sang mit rauher Stimme ein Lied.
    Da nahm die Agatha aus dem Kasten das Seidentuch und die Eier, die sie dem Franz als Ostergeschenk hatte geben wollen, und legte sie vor sich hin auf das Bett.
    Das schenk ich dem ärmsten Mannsbild im Dorf, sagte sie und überlegte, wer das wohl sein könnte.
    Der Hetscher?
    Ja, der war sicher der Ärmste, und der alte Mann würde seine Freude haben an dem Osterbinkerl. Wird wohl in seinem ganzen Leben kein weibliches Wesen gegeben haben, das ihm einmal ein Osterbinkerl gegeben hätte. Dieser Gedanke stärkte und freute sie, und mit Feuereifer ging sie an die Stallarbeit, als dürfte sie keine Zeit mehr verlieren, um dem Hetscher das Geschenk zu bringen.
    Die Sonne sank schon auf den Wald nieder, als sie das Haus verließ und mit dem Geschenk unter der Schürze über den Wiesenhang lief, den Elenderbach übersprang und zum Häusel des Alten hinaufstieg.
    Schimmelig und faulig schlug ihr die Luft entgegen, als sie in den einzigen Raum im Besenbinderhäusel trat. Die Fenster, die der Schwaiger neu hatte einglasen lassen, waren fest geschlossen, und doch war es kalt in der Stube wie in einem Keller. Der Fußboden war auch neu gelegt, aber auf ihm verstreut lagen Besenreiser und Holzspäne, und man merkte, daß der Boden nie gekehrt wurde. Es war alles beim alten geblieben, denn der Hetscher tat nichts, um Ordnung zu halten.
    Er lag auf seinem Strohsack, hatte den verkrümmten Fuß eingezogen, und sein Kopf hing nach hinten. Aus dem langen, dünnen Hals ragte der Kehlkopf wie ein spitzer Knochen. Den Mund hatte er geöffnet, und er keuchte mühsam. Verfilzt und schmutziggrau säumte sein Bart das hagere Kinn.
    Die Agatha war erschrocken stehengeblieben und horchte auf das rasselnde Atmen des Alten. Der war sicher krank und lag wer weiß wie lange schon hilflos hier. Behutsam legte sie das Osterbinkerl auf einen Stuhl und kniete neben dem alten Besenbinder auf dem Stubenboden nieder.
    »Hetscher!«
    Er schien sie nicht zu hören. Da hob sie erbarmend seinen Kopf und schob ihm ein Kleidungsstück unter. Das Röcheln wurde leiser.
    Sie rief ihn noch einmal an, und da öffnete er die Augen ein wenig. »Ist gar schon ein Engel da?« flüsterte er. Dann schloß er die Augen wieder und hielt den Atem an, als wollte er warten, was nun mit ihm geschah.
    »Hetscher! Ich bin es, die Agatha! Bist krank?«
    »Krank«, wiederholte er kraftlos und versuchte, sich zurechtzulegen. »Und Hunger«, flüsterte er. Kälteschauer schüttelten ihn.
    Sie suchte einen alten Mantel und deckte ihn zu. Dann nahm sie Reisig und Holz, das im Ofenwinkel lag, machte Feuer und suchte in den wenigen Geschirren und Büchsen, die auf einem Wandstellen standen, nach etwas, das sie dem Alten zubereiten konnte. In einem Fläschchen fand sie einen Schnapsrest. Den flößte sie ihm ein. Eine Büchse enthielt Tee. Von der Quelle neben dem Häusel holte sie Wasser und setzte es auf das

Weitere Kostenlose Bücher