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Das Kreuz der Kinder

Das Kreuz der Kinder

Titel: Das Kreuz der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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Bejaia
Bericht des Alekos
    Nach den unliebsamen Vorfällen mit den aus Marseille
Vorgeführten männlichen Geschlechts beschließen die
Aufseher, den hohen Besuch aus Marrakesch mit dem
Angebot weiblicher Ware zu erfreuen. Doch bevor sie die
Mädchen aus den ebenerdigen Gewölben zerren können,
entsteht auf der Rampe, die zu dem unterirdischen
Verliesen führt, schon wieder ein Aufruhr. Luc de
Comminges, den die Wärter unangekettet herumlaufen
lassen, weil er ihnen als Hilfsbüttel zur Hand geht, indem
er ihre Befehle mit Eifer übersetzt und mit üblen
Schimpfworten hemmungslos anreichert, überschüttet den
einst von ihm verehrten ›Minderen Propheten‹ Stephan,
mit einem Schwall von Spott und Hohn, als dieser mit
seinem engsten Gefolge in Ketten an ihm vorbeigetrieben
wird. Angewidert würdigt ihn Stephan keines Blickes,
murmelt nur: »Judas!«
    Als habe er nur darauf gewartet, springt Luc ihm an die
Kehle und würgt den Wehrlosen wie von Sinnen. Die
Wärter müssen den Rasenden zurückreißen, werfen ihn zu
Boden. Da versuchen die am nächsten in der Kette
Trottenden Luc zu zertreten. Bewaffnete Aufseher
stürmen herbei, sie fragen nicht lange, sondern peitschen
die gesamte Gruppe samt dem zeternden Luc die Rampe
wieder hoch ans Tageslicht. Dort schlagen sie so lange auf
die störrischen, sich aufbäumenden Körper ein, bis alle
bäuchlings Staub fressen. Wer auch nur den Kopf hebt,
erhält Hiebe wieder und wieder.
Als jeder Widerstand gebrochen, läßt sich der Kabir atTawashi Ahmed Nasrallah herbei, sich den Vorfall
anzuhören. Um sich in seinem Urteil abzusichern
schließlich weilte der Herr Oberhofkämmerer immer noch
am Ort –, hatte der Eunuch einen steinalten Mufti
mitgebracht, der als äußerst weise galt. Ahmed Nasrallah
selbst war schnell aufbrausend, wäre es nach ihm
gegangen, hätte er die Störenfriede auf der Stelle
totprügeln oder steinigen lassen, doch das brachte keinen
Gewinn, und die zusammengeströmten Händler hätten
gemurrt und sich beim Ouazir beschwert. Also erlaubte er
Luc de Comminges, seine Anklage vorzubringen, ohne
daß der sich deswegen erheben durfte. So spuckte der
ehemalige Zögling des Domenikus seine Niedertracht
brockenweise und röchelnd in den steinigen Boden von
Bejaia – zu verstehen waren dennoch deutlich die
furchtbaren Worte, die den Muslimen vor Zorn das Blut in
die Augen trieben. Er beschuldigte Stephan, verkündet zu
haben, Mohammed aleihi salam – habe sich von
Schweinefleisch ernährt und Unzucht mit Tieren
getrieben, dafür sollte man ihn zu Tode foltern – weiter
kam der Verleumder nicht, denn der Fuß eines Büttels in
seinem Nacken preßte das geifernde Maul wieder in den
Dreck. Der greise Mufti war von dem Gehörten so
erschüttert, daß der Kabir at-Tawashi ihn leicht rütteln
mußte, um ihn zu einem Urteilsspruch zu bewegen.
Stephan wurde gar nicht mehr befragt, schon aus
Widerwillen, er könnte die entsetzlichen Gedanken
bestätigen oder gar wiederholen.
    »Wer derart Gotteslästerliches behauptet haben soll, ist
des Teufels«, sprach der Mufti mit Bedacht. »Doch nicht
minder, wer solche Ungeheuerlichkeiten in Worte faßt. Es
gibt einen Ort auf Erden, wo sich die armen Seelen nach
der Hölle sehnen, als sei sie das Paradies der lieblichen
Huris –.«
    Dem Alten troff der Speichel in den Bart, während er
sich in diesen Garten Eden träumte. »Ich würde beide,
Kläger wie Beklagten, in das Schott schicken. Dort mag
Allah den Schuldigen lange am Leben erhalten, den
Mitschuldigen bald von seinem Leiden erlösen!«
    Die Vorstellung der Fron in den mörderischen Salzseen
gefiel dem Kabir at-Tawashi. Von dort war noch keiner
lebend zurückgekehrt. Luc und Stephan wurden
aneinandergekettet und abgeführt.
    Doch jetzt waren erst einmal die Frauen an der Reihe,
endlich! Das Publikum, Schaulustige wie ernsthafte
Bieter, saß und stand auf den steinernen Tribünen, die
noch aus den Zeiten des römischen Soldae stammten, in
lockeren Grüppchen beieinander. Lagerhäuser und
Handelskontore hatten sich an vielen Stellen in die Ränge
der alten Arena geschoben, deren einst ebenerdige
Wandelhallen, Bögen und Treppenaufgänge sich durch
den Schutt von mehr als tausend Jahren zu unterirdischen
Gewölben verwandelt hatten. Sie dienten jetzt als Verliese
für die angelieferten Gefangenen. In der Mitte des Rings,
der sich unmittelbar an die Hafenanlagen anschloß, befand
sich das hölzerne Podest,

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