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Das Kreuz der Kinder

Das Kreuz der Kinder

Titel: Das Kreuz der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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zur Entschuldigung grinsend die Achseln.
»Wer hier ohne Tadel, der werfe den ersten Stein.«
Das wollte der Emir so nicht hinnehmen. »Auf jeden
Fall«, befand er barsch, »soll Alekos der Grieche jetzt die
Chronik zu Ende bringen –.«
»Wenn der nicht auch –.«, scherzte Abdal, »von einem
unbekannten Genius seine Texte hat verfassen und von
einem fleißigen Djinn hat niederschreiben lassen!«
»Mir ist jeder Djinn, jeder der magische Künste
einigermaßen beherrscht, hoch willkommen!«
Der Emir erhob sich. »Selbst Sheitan wär mir recht!
Hauptsache, wir bringen das Werk zum Abschluß!«

aus der Niederschrift von Mahdia
Der große Sklavenmarkt von Bejaia
Bericht des Alekos
    Die Schiffe mit den Deutschen laufen gerade ein, als die
Knaben, die in Marseille die Schiffe der niederträchtigen
Händler bestiegen hatten, aus ihren Verliesen zur
Versteigerung ans Tageslicht geholt werden. Die meisten
haben das grausame Schauspiel oder wenigstens sein
bitteres Ende – mitansehen müssen, als der über Bord
geworfene Randulf von den Haien zerfleischt wurde. Ihr
lautstarker Protest – denn auch sie hatten erleben müssen,
wie Kranke und Schwache noch vor Erreichen des Hafens
auf diese Weise aussortiert wurden – verärgert den Oberhofkämmerer des Almohaden-Sultans von Marrakesch. Der
›Ouazir al Khazna‹, der hochmächtige Hedi Ben Salem,
war in Begleitung des Obersten Haremswächters im
Maghreb, des Eunuchen Ahmed Nasrallah, zum Markt
gekommen, um für den ›Miramolin‹, den Herrscher aller
Gläubigen, junge Christenhunde einzukaufen. Als das
Murren und Wutgeschrei nicht abebben will, auch nicht als
die Aufseher auf die aneinander Geketteten einschlagen,
verlangt der Ouazir, höchster Hofbeamter des Sultans, daß
der Anführer dieser räudigen Franken vor ihn gebracht
wird. Doch die Gefolgsleute des ›Minderen Propheten‹
lassen ihren Stephan nicht im Stich, sie umdrängen ihn
dicht wie ein Bienenschwarm seine Königin, drohend und
derart gefährlich summend, daß Hedi Ben Salem sich nach
seinen Leibwächtern umschaut.
    Ein Massaker zu veranstalten ist nicht Sinn des Markts.
Der mächtige Fleischberg des Obereunuchen von Tunis
schiebt sich vor, läßt die Erregung der Kinder an seinem
fetten Wanst abprallen, scheucht aber auch die prügelnden
Aufseher zur Seite und wartet gelassen in der glühenden
Sonne, bis bleiernes Schweigen sich breit gemacht. Dann
erst tritt er zur Seite und der Ouazir al-Khazna kann sein
Strafmaß verkünden lassen. Durch einen Dolmetscher
werden jene, die es gewagt haben, ihre Stimme im
Aufruhr zu erheben, aufgefordert, jetzt sichtbar ihrem
christlichen Glauben abzuschwören und sich ebenso
lauthals zum Islam zu bekennen. Der Haufen um Stephan
sieht sich durch einen Ring von Bewaffneten von allen
anderen Gefangenen isoliert. Die Shimtare glitzern
erwartungsvoll in den Fäusten der muskulösen Gestalten.
Jedem wird schlagartig klar, daß es nur eines Winkes
bedarf, und sein Kopf rollt über den festgestampften
Boden. So regt sich keine Stimme mehr – Ein großes
Kruzifix, das man wohl irgendwelchen Pilgern
abgenommen hat, wird vor ihnen in den Staub geworfen.
Das soll jeder bespucken, befiehlt der Herold, ›der
Prophet‹ Stephan an der Spitze! Alle sind
zusammengezuckt und starren angstvoll auf ihren
Anführer. Durch den jähen Wechsel zwischen höchster
Erregung und gereizter Spannung, trotzig ertragener
Entbehrung und dumpfer Todesnot ist Stephans geistige
Verwirrung an den Punkt gelangt, daß sein Magen
rebelliert: Er erbricht dessen Inhalt über den Gekreuzigten.
    Die Muslime jubeln. Der Umstand, daß er sich nach wie
vor für den erwählten Propheten hält, läßt ihn einen Satz
zusammenbringen, der seine Peiniger vollends
zufriedenstellt – ihm wird das Leben geschenkt. Sein
Vicarius, der eilfertige Luc de Comminges, entleert vor
Angst seine Blase, benäßt das Kreuz wie ein getretener
Hund, was auch ihm als ausreichend angerechnet wird,
zumal er sein schändliches Tun auf Arabisch mit wüsten
Flüchen begleitet, die er sich von den Wärtern hat
beibringen lassen. Doch dann kommt die Reihe an
Étienne. Der kniet nieder, atemlose Stille, säubert mit
seinem Hemd den verunreinigten Körper des Heilands,
küßt sein Antlitz sauber und sagt laut: »Dies ist das Lamm
Gottes, das für uns am Kreuz gestorben ist.«
    In das entsetzte Schweigen seiner Gefährten bricht das
Wutgeheul der Muslime herein, sie wollen ihn auf der
Stelle

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