Das Kreuz der Kinder
zerreißen, doch die Wachen des hohen
Würdenträgers drängen sie zurück. Étienne wird auf einen
Wink des versteinerten Ouazir al-Khazna abgeführt. Die
Prozedur wird abgebrochen, die Gefangenen in ihre
Verliese zurückgetrieben. Der alte Hedi Ben Salem ist
nachdenklich geworden: So war diesen Christenhunden
nicht beizukommen.
»Am unerbittlichen Drehen der Mahlsteine von Bejaia
ändert das nichts«, murrte der Hafside, »ob nun das Meer
seine Bootsleiber entleert oder die Sahara ihrer Karawanen
Fracht ablädt, oben stürzen Menschen in den Trichter der
Mühle, unten kommen sie geschrotet als Sklaven heraus.«
Er blickte den Emir prüfend an. »Ihr solltet nicht länger
hinwarten, Kazar Al-Mansur, sondern die besprochene
Delegation zum Großwesir nach Kairo entsenden, bevor
dort die Würfel zu Euren Ungunsten fallen –?«
Auch wenn es im Ton so klingen mochte, es war keine
Frage, sondern eine Aufforderung.
Der Emir drückte sich vor der Entscheidung, seinen
Sohn quasi als Geisel nach Ägypten zu schicken, auch
wenn Abdal seine Ehre als Pfand gesetzt hatte, daß er
Karim wohlbehalten zurückbrächte. Der Sohn war alles,
was ihm von der geliebten Frau geblieben. Auch die
Tatsache, daß Rik van de Bovenkamp, der Erzieher des
Prinzen, die Reise an der Seite seines Schutzbefohlenen
antreten würde, vermochte seine Besorgnis nicht zu
lindern. Unter normalen Umständen hätte es nicht einmal
einer Einladung bedurft, sich mit allem, was ihm lieb und
wert war, an den Hof des Sultans zu begeben, wußte er
sich doch dort wertgeschätzt und ohne jeden Feind. Doch
inzwischen konnte der anheimelnde Thronsaal, in dem er
auf den Knien seines Onkels seine Jugend verbracht hatte,
sich in eine Schlangengrube verwandelt haben, dank des
tückischen Reptils Moslah und der bösartigen Natter
Saifallah. Kazar Al-Mansur schob die Entscheidung vor
sich her.
»Mehr noch als die Überantwortung meines eigenen
Blutes als Geste vollkommener Loyalität«, gab er seinem
Gegenüber zu bedenken, »wird der Herr Großwesir von
unseren redlichen Absichten überzeugt, wenn wir aus
freien Stücken das noch fehlende Ende unseres
Manuskripts in seine Hände legen –.«
»Beides!« befand der Hafside streng. »Keine zögerlichen
halben Schritte! Bedenkt den Vorsprung Eurer Gegner –.«
Abdal sah, daß er den Abwiegelnden mitreißen mußte.
»Unser Auftreten muß wie ein Donnerschlag erfolgen,
dessen Blitz die Unwürdigen, Verräter und Verleumder
zerschmettert!«
Der Hafside berauschte sich an seinem Bild. »Danach ist
auch die schwüle Luft am Nil wieder gereinigt!«
Der Emir gab sich Mühe, nicht allzu skeptisch zu
schauen. »Dafür ist es notwendig, die Chronik nun
schnellstens zum Abschluß zu bringen!«
»Zu der gehört Ihr inzwischen selber, Kazar AlMansur.«
Der Hafside nahm die Dinge nicht, wie sie sich darboten,
sondern wie er sie einschätzte, daß sie sich biegen ließen.
Zwingen konnte er den besorgten Vater nicht. Er
wechselte geschickt – nicht das Thema – doch seine
Herangehensweise. »Wie seid Ihr eigentlich damals aus
Tunis wieder freigekommen?«
»Durch den Oberhofkämmerer Hedi Ben Salem.«
Der Emir wirkte erleichtert ob des nachlassenden
Drucks. »Der Ouazir al-Khazna traf auf seiner Weiterreise
von Bejaia kommend in Tunis ein, um nach dem Rechten
zu schauen, denn der Gouverneur war in Marrakesch
hingerichtet worden. Hedi Ben Salem bot mir den Posten
an, was aber den Umzug nach Tunis bedeutet hätte und
gewiß ständige Reibereien mit dem machtbewußten
Ahmed Nasrallah es war – ya’allam Allah! – kein
begehrenswertes Ziel –.«
»Wie nahm er Eure Weigerung auf?«
»Er sagte, er wisse nicht, ob er dem Herrscher aller
Gläubigen damit einen guten Dienst erweise, daß er mir
nicht bei dieser günstigen Gelegenheit den Kopf
abschneiden lasse, aber er wolle Vertrauen zu mir haben,
wenn er mich in Mahdia belasse – ich solle dem Sultan
von Marrakesch den Lehnseid schwören. Ich entgegnete
ihm furchtlos, daß damit das Emirat von Mahdia immer
noch – wie seit des Mahdis seligen Zeiten! – Feudalbesitz
von Kairo bliebe und er nichts gewonnen habe. Doch sei
ich persönlich zum Treueid auf den Herrscher aller
Gläubigen bereit, daß ich meine Hand nie gegen ihn
erheben und vor allem nie nach Tunis ausstrecken würde.
Das überzeugte den alten Mann, und er ließ mich ziehen
sehr zum Ärger des Eunuchen!«
aus der Niederschrift von Mahdia
Der große Sklavenmarkt von
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