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Das Kreuz der Kinder

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Titel: Das Kreuz der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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Bovenkamp

KAPITEL VIII
DIE PFORTE ZUM PARADIES
    Der mächtige Segler des Hafsiden pflügte die Wellen der
Großen Syrte, füllte in Benghazi noch einmal seine
Trinkwasservorräte auf, um dann Kurs entlang der
libyschen Küste auf das Nildelta zu nehmen. Die
Stimmung an Bord war heiter und gelassen, jedenfalls
strahlte Abdal, das unbestrittene Haupt des Unternehmens,
soviel an Zuversicht aus, daß die Spannung, die über
seinem völlig Ungewissen Ausgang lag, nie Oberhand
gewann. Rik litt am meisten unter den Zweifeln, aber auch
er zwang sich, sie nicht zu zeigen, schon um den
unbekümmert die Fahrt genießenden Karim nicht zu
belasten. Als äußerst hilfreich erwiesen sich Miriam mit
ihrer freundlichen, fast mütterlichen Art und wie immer
der kecke Mohr, der sich von nichts und niemandem
einschüchtern ließ, was auch immer an Widrigkeiten auf
sie zukommen mochte. Sie kümmerten sich um Karim,
wenn Rik die Nähe Abdals suchte, der, wann immer es
ging, selbst am Steuer stand. Doch eingedenk der
eingegangenen Verpflichtung behielt der ›Erzieher des
Prinzen‹ seinen Schutzbefohlenen dabei stets im Auge.
Ihm fiel auf, daß der Knabe bei den gemeinsamen
Mahlzeiten viel zu wenig aß, dagegen die üppigen Reste
seines Mahls sorgfältig in einem Tüchlein verstaute und
damit unter Deck verschwand. Nun hatten sie weder
Sklaven an Bord, die etwa im stickigen Kielraum
geschmachtet hätten, noch litt die Mannschaft Hunger. Rik
stellte Karim ob seines merkwürdigen Verhaltens zur
Rede, und der Knabe reagierte unerwartet heftig.
    »Meinem Herrn Vater beliebt es, mich als Geisel zu
stellen –.«, fauchte er den Deutschen an, »ich nehme nicht
an, daß der Sultan den Sohn seines Emirs an der Hand
einer Amme erwartet!«
    Rik war erschrocken über die unverblümte Klarheit, mit
der Karim seine Funktion sah, doch mehr noch verletzte
ihn die unerwartete Zurückweisung. Er verstellte dem
Jungen den Weg, denn Karim versuchte, trotzig an ihm
vorbeizuschlüpfen. »Ich habe dich – lange bevor du das
entsprechende Alter erreicht hast –, wie einen jungen
Mann behandelt, nicht wie ein Kind!« brach es aus Rik
heraus. »Benimm dich gefälligst auch nicht so!«
    Karim hielt dem strengen Blick nicht lange stand,
Tränen des Zorns schossen ihm in die Augen. »Deine
bemühte Tätigkeit als mein Erzieher ist beendet«, würgte
er hervor. »Du kannst mir dieses Schicksal nicht ersparen,
also hast du mir auch nichts mehr zu sagen, und ich muß
deine Fragen nicht länger beantworten!«
Seine Hand umklammerte fest den Beutel.
     
Rik untersagte es sich, dem Knaben – wie sonst – die
    Hand freundschaftlich auf die Schulter zu legen oder gar
ihm über den Kopf zu streichen. Es schmerzte ihn
ungeheuer.
    Karim blieb dies nicht verborgen, doch er war willens, in
der Sache hart zu bleiben. »Wenn du mein Freund bleiben
willst, Rik –.«, lenkte er im Ton ein, »dann läßt du mich
jetzt gehen –.«
    Rik gab ihm zögerlich den Weg frei. »Wenn du meinst,
Karim«, sagte er, stockend vor Selbstbeherrschung, »daß
man Freunde so behandelt, habe ich dir in der Tat nichts
mehr zu sagen!«
Er drehte sich abrupt um und stampfte von dannen.
Am Abend sah Rik, daß sich der Knabe an der Schulter
    von Miriam ausweinte. Die Jüdin war es, die dafür sorgte,
daß Karim auf ihn zulief und mit gesenktem Blick ihn wie
ein Ertrinkender umklammerte. »Bitte, lieber Rik, verlaß
mich nicht!« flüsterte er heiser, und Rik strich ihm
beruhigend übers Haar.
    Doch seine Angewohnheit, wenig zu essen und reichlich
beiseite zu legen, behielt Karim bei. Rik beschloß, der
Sache auf den Grund zu gehen.
    Beim nächsten Mal tat er so, als würde er das Einbeuteln
der Speisen völlig übersehen, auch die Tatsache, daß sich
Karim von der Tafel entfernte, bevor der Hafside sie
aufgehoben hatte. Kaum war der Knabe in der Luke zur
Treppe entschwunden, die hinab ins Unterdeck führte,
erhob sich Rik und folgte ihm auf leisen Sohlen. Karim
stieg noch tiefer, bis in den Kielraum mit den
Sklavenkäfigen. Ganz am Ende – so erschien es im
schummrigen Licht – hockte, unter Stroh versteckt, ein
Wesen wie ein wildes Tier. Als Karim die Tür zum
Verschlag geöffnet hatte und seinen Beutel vor dem
Geschöpf ausbreitete, trat Rik mit einem Räuspern hinzu,
denn er wollte die beiden nicht verschrecken. Es war die
kleine Aisha, deren helle Augen ihn aus schwarzem
Gesicht verschüchtert anlächelten. Rik gab sich Mühe,
sanft wie

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