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Das Kreuz der Kinder

Das Kreuz der Kinder

Titel: Das Kreuz der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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Majordomus
endlich das schleimige Handwerk gelegt wurde, denn er
selbst hatte versagt!
    Müde wandte der Emir seine Schritte zum oberen
Eingang der Moschee. Der Wächter vor dem schmalen
Einlaß in den Turm öffnete schon dienstbeflissen die Tür,
da fiel Kazar ein, daß er noch die Ledermappe des Mohren
in der Hand hielt, und er drehte mutlos um. Er war nicht
würdig zu Allah zu beten, er war ein Versager. Er kehrte
zurück zum Palast. Gut, daß dieser Bericht Timdals nicht
mehr der Chronik beigefügt worden war, die jetzt ihren
Weg nach Kairo nahm. Der Emir von Mahdia machte
darin keine gute Figur, eher eine traurige. So fühlte er sich
auch, elend und zerschlagen, als er schließlich die
Wendeltreppe hinaufstieg zu seinem Arbeitsgemach über
dem ›Saal der Bücher‹. Alles lag so still, keine der
streitenden Stimmen drang mehr zu ihm herauf. Wie oft
hatte er Erzähler und Schreiber verflucht! Jetzt fehlten sie
ihm. Ihr Weggang bereitete ihm keinen Frieden, nur das
Gefühl von Leere. Er wollte die Ledermappe gerade in der
Truhe versenken, als sein Blick auf einen Brief fiel, der
auf seinem Tisch zwischen den Pergamenten lag. Er war
an ihn gerichtet, die ungelenke Schrift wies auf Rik hin.

Der Brief zum Abschied
Schreiben des Rik van de Bovenkamp
    Bismillah arrahman arrahim.
Lieber Freund, mein Entschluß steht fest, ich werde
    von dieser Reise, die ihr mich antreten laßt, nicht
nach Mahdia zurückkehren. Die uns, Euch wie mir
und allen auferlegte ›Chronik‹ hat mit dem Erreichen
des Ziels im Orient ihren Abschluß gefunden: Es war
nicht das ersehnte heilige Jerusalem in der ›terra
sancta‹, sondern der profane Sklavenmarkt von
Bejaia an der Küste Iffriqias. Für die meisten die
Pforte zur Hölle, die sie durchschreiten mußten, um
dann namenlos dem Verschollensein anheimzufallen.
Wir wissen nur von den wenigen, die, wie ich das
Glück hatten, verständnisvolle Herren zu finden, die
ihnen ein neues Leben in Würde schenkten. So
betrachtet, könntet Ihr meinen Schritt als undankbar
ansehen – nur hat sich unser besonderes Verhältnis
längst zu einer Freundschaft entwickelt, die den
Kategorien von Geben und Nehmen nicht
unterworfen ist.
    Doch ich weiß, auch, was immer – unausgesprochen
– zwischen uns stand. Das ist Melusine. Ich will Euch
ein Geständnis machen, das mir nicht leicht fällt.
Selbst die Summe aller verliebten Gedanken,
sehnsüchtigen, eitlen und vor allem federleichten, die
ich in der langen Zeitspanne zwischen der ersten
flüchtigen Begegnung und jener unwiderruflich
letzten, an Melusine de Cailhac verwendete, macht
nicht das Gewicht der leidenschaftlichen Liebe aus,
die Euch so kurz, aber intensiv zuteil wurde. Schon
verglichen mit dieser rasenden, alles verzehrenden
Intensität, zu der ich mich nie in der Lage sah, bleibt
mir nur die bittere Erkenntnis, liebesunfähig zu sein.
Damit muß ich leben! Das ist auch der Grund,
weswegen ich Eurem Sohn ein guter Hüter war und
immer sein werde. Darauf könnt Ihr Euch mit
gleicher Gewißheit verlassen, denn dieser Dienst an
dem Knaben – mehr noch Euch als der Verstorbenen
geleistet –, ist, wenn ihr so wollt, auch eine
Bußübung für jene Euch eingestandene Sünde der
nicht aufgebrachten Liebe. Ich versuche an Karim
gutzumachen, was ich an Melusine gefehlt, was ich
ihr nicht geben konnte. Das will ich neidlos
eingestehen!
Ich danke Allah, daß sie durch Euch die Liebe
erfahren hat, denn Melusine hat sie verdient wie das
Paradies, in das der Großmächtige sie aufgenommen
hat. Alhamdulillah! Ich kann Euch ein Geschenk
machen zum Abschied, das Euch von allen Zweifeln
befreien wird: Von dem Augenblick an, in dem Ihr in
Melusines kaum erblühtes, stürmisch bewegtes Leben
tratet, hat sie nur Euch geliebt, es hat für sie keine
derartige Erfahrung zuvor gegeben und erst recht
keine danach. Und deshalb sollt ihr dieser Liebe
gewiß sein bis ans Ende Eurer Tage! Ich werde die
meinen in Zurückgezogenheit von dieser Welt
beschließen, sobald ich meine Aufgabe erfüllt habe
und mir sicher bin, daß Karim meiner nicht länger
bedarf.
Diese Treue halte ich Euch. Eures Sohnes treffliches
Gedeihen ist die Hoffnung, auf die Ihr bauen sollt. In
ihm lebt Melusine fort. Das muß Euch den Mut und
die Kraft geben, die Trennung zu erdulden.
Ich danke Allah für das Vertrauen, das Ihr in mich
gesetzt, und umarme Euch in unverbrüchlicher
Freundschaft. Allah ma’ak!
Rik van de

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