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Das Kreuz der Kinder

Das Kreuz der Kinder

Titel: Das Kreuz der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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fallen wird,
packt Ihr an den Haaren und werft es in den Behälter!«
»Deckel zu und fertig!« fügte der andere grinsend hinzu.
»Alles andere soll nicht Eure Sorge sein.«
    Timdal wollte aufbegehren, fragen, doch dann fiel sein
Blick auf die Mauerkrone über dem Torbogen. Er glaubte,
einen ölglänzenden Arm gesehen zu haben, auf jeden Fall
war dort oben die Klinge eines gewaltigen Shimtar
aufgeblitzt, denn genau in dem Moment zerrissen die
ersten Strahlen der Sonne den rötlichen Dunstschleier über
dem Horizont, golden flammte das Meer auf.
    Auch Rik und Pol sahen die glutrote Scheibe im Osten
aufsteigen, über die leicht gekräuselten Wellen legte sie
einladend einen feurigen Teppich, direkt bis zu ihnen.
Unterhalb der Mauer, über die sie schritten, schlug die
Brandung an die Felsen.
    »Wenn Ihr denn Euer junges Leben wegwerfen wollt«,
brach Rik das Schweigen. Sie schritten jeder an seiner
langen Kette hinter Wächtern, die sie jedoch nicht
hinderten, ihren letzten Weg nebeneinander zu gehen,
schließlich folgten den Verurteilten im respektvollen
Abstand noch weitere Soldaten, »– dann bestehe ich
darauf«, fuhr Rik bestimmt fort, »als erster vor dem
Henker niederzuknien –.«
    Pol, den Folter und lange Haft arg mitgenommen hatten
– er war blaß und sein Schreiten wirkte unsicher –,
lächelte müde. »Ihr wollt mich reinlegen, guter Rik«, er
torkelte leicht, »denn einen zweiten Streich soll es nicht
geben.«
    Der vorausschreitende Wächter schaute sich besorgt um,
als er sah, daß Pol mit seiner Schwäche kämpfte, er
lockerte die Kette leicht, Rik bot dem Freund der letzten
Tage seinen Arm, doch der wehrte ab. »Entscheiden
werden die weisen Richter«, sprach er zuversichtlich,
»und sie werden mir die Palme überreichen!«
    »Unterschätzt nicht die Kraft einer großen Liebe!« rief
Rik aus und beschleunigte seinen Schritt. »Mir kann sie
diesen Sieg nicht verweigern!«
    Unter ihnen am Fuß der Mauer war das Wasser klar wie
Kristall, bevor es überging in das die Freiheit verheißende
trügerische Blau des Meeres.
    Pol bemühte sich, an der Seite des Rivalen zu bleiben,
doch er strauchelte und ging in die Knie. »Sterben kann
nur einer«, keuchte er mühsam, »und jeder nur einmal!«
    Pol nahm alle Kraft zusammen und schnellte aus der
Hocke hoch, stürmte vorwärts auf die erschrockenem
Wächter zu. Doch kurz bevor er sie erreichte, schlug er
einen Haken, sprang auf das Mauersims und stürzte sich
kopfüber in den Abgrund. Sein Bewacher vermochte die
Kette nicht zu halten, ließ sie fahren, sonst wäre er
mitgerissen worden. Der Wächter, der Rik führte, glaubte
an eine Verabredung zum Freitod, versuchte Rik vom der
Brüstung wegzuzerren, doch der zwang trotz blutiger
Handgelenke den Mann zu sich. Gemeinsam starrten sie
hinab auf die Felsen. Pol mußte sofort den Tod gefunden
haben, denn sein Körper trieb im klaren Wasser auf dem
Rücken, die Kette hielt ihn fest wie ein ausgeworfener
Anker, sein Ausdruck war der eines ungebärdigen Kindes,
das endlich seinen Willen durchgesetzt hatte.
    Die Wächter schleppten Rik bis zum nächsten Wachturm
und ketteten ihn dort an. Als sie noch beratschlagten, was
nun zu tun sei, fielen ihre umherirrenden Blicke auf das
große Schiff, das sich mühte, die Hafeneinfahrt zwischen
den zwei Türmen zu passieren. Sie bemerktem die
Unruhe, die sich breitmachte, dann waren aus der Ferne
Rufe und Schreie zu vernehmen: Kazar Al-Mansur war
zurückgekehrt!
    Sie ließen Rik dort, wo er war, und rannten über die
Mauer nach zwei Richtungen auseinander, einige zum Bab
Zawila, um dem Moslah den ›Unfall‹ zu melden, die
meisten jedoch zum Hafenbecken, um ihren Emir zu
begrüßen. Der Majordomus, der sich auf der Torkrone
befand, behielt die Nerven, das hatte er schon bewiesen,
als immer dringlichere Hilferufe aus dem Harem zu ihm
drangen, die Gebärende schwimme in ihrem Blut, der
herbeigerufene Hakim vermöge den Fluß nicht zu stillen.
Als jetzt die Nachricht von Pols Todessturz eintraf und
gleichzeitig die von der Ankunft des Emirs, gab er als
erstes seinen unten stehenden Getreuen den Wink – er
mußte heftig gestikulieren –, den Mohren in den
bereitstehenden Korb zu stopfen und wegzuschaffen.
Dann entlohnte er hastig den vergeblich erschienenen
Scharfrichter und die drei alten Männer, auf deren
Richterspruch der Moslah jetzt auch verzichten konnte. Er
eilte mit seinen Leuten über die Mauer, denn das war

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