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Das Kreuz der Kinder

Das Kreuz der Kinder

Titel: Das Kreuz der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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seine Glatze genau in
Kreuzesform zieren. Die beiden versuchen, ihn auf einer
Bahre aus grob zusammengezimmerten Stämmen
mitzuschleifen, doch Ripke brüllt wie am Spieß und
beschimpft sie derart lautstark, daß die Freunde befürchten
müssen, das gesamte, immer noch im Wald
umherstreifende Gelichter auf sich zu ziehen. So hieven
sie ihren Capitán auf einen kräftigen Ast des nächsten
Baumes und ziehen los, um Hilfe zu suchen.
    Gleich nach Verlassen des Waldes geraten sie auf einen
Fahrweg, auf dem ihnen zwei Kutschen entgegenkommen.
In der ersten hockt Gilbert de Rochefort, der Inquisitor,
umringt von seiner berittenen Leibgarde und
Folterknechten. Sie stoßen die beiden Deutschen rüde zur
Seite, ohne anzuhalten. Die zweite Karosse befördert die
aufreizend rothaarige Marie de Rochefort, Hofdame der
Königin von Frankreich, Gilberts Schwester. Auf dem
Gepäcksteg hinten thront über den Truhen Timdal, ihr
Leibmohr. Die Dame hört sich das Hilfsersuchen der
beiden amüsiert an, versichert ihnen alle notwendigen
Schritte zur Rettung des deutschen Capitáns zu
veranlassen, erbietet sich sogar, die jungen Burschen bis
Bordàs mitzunehmen. Doch Rik und Oliver lehnen
dankend ab. Sie wollen nur eines: fort von hier, nach
Hause! Und sei es auf Schusters Rappen! So fragen sie
Marie lediglich nach der Straße nach Reims, als läge
dieser Ort um die nächste Ecke. Timdal erlaubt sich den
Spaß, ihnen den Weg zu beschreiben: »Bei der nächsten
Gabelung links, dann immer geradeaus. Vor der Brücke
scharf rechts, den Fluß entlang bis zur Furt, nach
Durchquerung nochmal gleich rechts, bergauf, den
Kammweg erst verlassen, wenn linker Hand ein
verfallener Turm zu sehen, jedoch nicht die erste, sondern
die zweite Schneise zum Abstieg ins Tal benutzen – auf
halber Höhe stoßt ihr auf die Straße, haltet euch rechts,
nein, links, und dann immer weiter – bis das Schild kommt
›Nach Reims‹!«
    »Merci beaucoup!« stammelt Rik dankbar.
»Was heißt hier ›merci‹!« faucht der schwarze Kobold
ihn an. »Répétez! Wiederholt gefälligst meine kostbaren
Instruktionen!«
Die Kutsche mit der schallend lachenden, schönen Marie
rollt davon.
    Genau zu diesem Zeitpunkt trifft Melusine de Cailhac
mit dem Hirtenjungen Stephan im Gefolge in der
eroberten Stadt ein. Sie befürchtet mit Recht, daß ihre
Freunde unter den Gehängten sein könnten und will sich
zum Baum in der Ecke durchdrängeln, was ihr barsch
verwehrt wird. Melusine ist außer sich und beschimpft die
Kirche des Papstes und die räuberischen Eroberer, so daß
der kleine Inquisitor Luc de Comminges diese aufwiegelt,
das Mädchen und ihren Begleiter am gleichen Ast
aufzuknüpfen. Die aufgebrachte Soldateska ist völlig
außer Rand und Band und greift sofort zu, wobei man mit
der aufmüpfigen jungen Dame noch ganz anders verfahren
könnte, wie ihr grölend angekündigt wird. Einzig der
herrische Auftritt der Marie de Rochefort sorgt dafür, daß
die rohen Fäuste widerwillig von Melusine ablassen. Das
Mädchen dankt es ihr schlecht; mit dem Schrei »Gott
strafe Rom!« reißt sie sich los. Bevor die wutentbrannten
Wachen wieder zugreifen können, ist sie schon
entschwunden. Sie entzieht sich ihren Verfolgern durch
kühnen Sprung in einen Schacht, den sie für einen
Brunnen hält. Doch statt im kalten Wasser landet
Melusine vor dem Gitter Pols in seinem Kellerloch. Die
betrunkenen Söldner glauben fest an Gottes Gerechtigkeit
und daß die Ketzerin ertrunken sei. So wollen sie ihr
Mütchen an Stephan kühlen, doch den zieht die energische
Dame in ihre Kutsche, und der Inquisitor Gilbert de
Rochefort gebietet allem weiteren Totschlag nun auch
Einhalt.
    »Während sich das in der Stadt abspielte«, versuchte Rik
sich in die Erzählung einzubringen, »irrten wir, mein
Compán Oliver und ich –.«
    Er verstummte, weil der Mohr bittend und für alle
sichtbar die Hände faltete, als wolle er ihn voller Demut
anflehen, nicht etwa fortzufahren, sondern
unmißverständlich davon abzusehen.
    Rik schaute irritiert, so daß Timdal, um ihn nicht zu
verletzen, äußerst behutsam vorschlug, gerne bereit zu
sein, auch die Spur der beiden braven Söldner angemessen
zu verfolgen.
    Wenn der Herr van de Bovenkamp beleidigt war, so
zeigte er es jedenfalls nicht, im Gegenteil: »Ich bin ja
heilfroh«, ließ er den Mohr wissen, »wenn mein schlichtes
Geschick von Eurer begnadeten Diktion zu lichten Höhen
und höheren Ehren

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