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Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman

Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman

Titel: Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Scharf
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ersten Sekunden erschien ihr das alles höchst seltsam, aber dann kehrte mit einem Mal die Erinnerung an den gestrigen Vorfall zurück und schlug ein wie eine Bombe. Sie wußte genau, was mit ihr geschehen war, denn sie hatte üble Schmerzen in der Scham. Sie mußte sich augenblicklich übergeben, als sich die einzelnen Bilder vor ihrem geistigen Auge zu einer Gesamtbetrachtung zusammengefügt hatten und sie der nackten Wahrheit bewußt wurde, daß sie von einer Gruppe Migranten auf ihrem Heimweg brutal geschändet worden war. – Wie war sie hierher gelangt?

    Eine Passantin hatte den letzten in der Reihe, den Rangniedrigsten der Bande, sein Verbrechen beenden und die Peiniger dann gemeinschaftlich  Reißaus nehmen sehen und war zu dem reglosen Körper geeilt, den sie auf den im Halbdunkel befindlichen Stufen des Amtsgerichts ausgemacht zu haben glaubte. Sie war es gewesen, die sofort einen Krankenwagen gerufen, die Polizei alarmiert und bei letzterer ihre Zeugenaussage gemacht hatte.

    Davon wußte das Mädchen jetzt freilich noch nichts, sondern es wurde ihr erst später durch den sie behandelnden Arzt mitgeteilt. Also erging sie sich in wilden Spekulationen, die allesamt furchtbar waren… Schlimmer wurde es noch, als eine Krankenschwester hereinschneite und den Besuch ihrer Eltern ankündigte, die kurz darauf ins Zimmer traten. Lucretia-Amalia stieg die Schamesröte bei deren Anblick ins Gesicht. Sie wandte sich unwillkürlich ab. Sie verfiel wieder in herzergreifendes Schluchzen. Ihre Mutter drückte sie fest an sich, strich ihr durchs zerzauste Haar, durch das, was von ihrer Hochsteckfrisur geblieben war, und sprach ein paar beruhigende Worte, während der Vater mit schmerzverzerrtem Gesicht, aber völlig ratlos, in der Mitte des Raumes stand und offenbar nicht wußte, ob er etwas sagen sollte oder nicht. Er entschied sich für das letztere. Stumm schüttelte er langsam den Kopf, wobei eine einzelne Träne über seine linke Wange kullerte und auf den sterilen Krankenhausboden fiel.
    Das Mädchen fühlte sich – mit einem Wort – elend. So bat sie ihre Eltern schon nach kurzer Zeit, zu gehen, da sie im Moment nur für sich allein sein wolle. Dieser Wunsch stieß auf Verständnis, so daß sie sich alsbald wieder allein auf der Krankenstation befand und apathisch die weißen Tapeten anstarrte. Bis morgen abend sollte sie noch in der Notaufnahme bleiben, hatte der Chefarzt gesagt, dann könne sie nachhause.

    Aber wollte sie überhaupt nachhause? Was würden die Leute von ihr denken: die Angehörigen, Freunde und Nachbarn? Sie war gewarnt gewesen und hatte wider ihr innerstes Gefühl gehandelt, als sie ihren Weg fortgesetzt und ihre Bedenken verworfen hatte, statt schleunigst umzukehren, da sie der jungen Migranten gewahr geworden war. Was würde sie selbst von sich denken? Könnte sie sich jemals verzeihen? Waren ihre Lehrer mit in die Verantwortung zu nehmen? Die Presse möglicherweise, welche die Gefahr herunterspielte? Oder am Ende doch nur sie allein? Selbst wenn die Schuld einzig bei den Tätern gelegen hätte, würde es doch nicht ungeschehen machen, was sich ereignet hatte. Und sie, die sich kaum mehr im Spiegel ansehen mochte, wie sollte sie noch unbekümmert in das Angesicht ihres Bruders, in die Gesichter ihrer Eltern und Freunde blicken, ohne jedes Mal vor Scham einen hochroten Kopf zu bekommen? Je länger sie so einsam dalag und räsonierte, desto fester wurde ihr Entschluß, nicht mehr in ihre alte Umgebung zurückzukehren.

    Sie hörte ab und an durch das gekippte Fenster das Geräusch von vorbeirauschenden und haltenden Zügen, mußte sich also ganz in der Nähe eines Bahnhofes befinden. „Weit weg von hier?“ dachte sie. „Doch wohin?“ Sie wartete die Abenddämmerung ab. Die Schläuche und Infusionen an ihrem zerschundenen Körper waren bereits im Laufe des Nachmittages von einer Krankenschwester entfernt worden, so daß sie sich nun bloß noch unbemerkt davonstehlen mußte, was nicht so schwer sein konnte; besonders nicht mit dem weißen Kittel, den sie an der Garderobe vor ihrem Zimmer hängen sehen und sich übergestreift hatte. Sie folgte zielstrebig den Notausgang-Symbolen, um die Pforte zu umgehen und gelangte auf diese Weise glücklich über eine Feuerleiter aus dem dritten Stock hinunter in die Grünanlage, welche den Gebäudekomplex umgab. Sich dabei allein auf ihr Gehör verlassend, strebte sie der Haltestelle zu, mit Erfolg.
    Sie beobachtete eine Zeitlang die Halt machenden,

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