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Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman

Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman

Titel: Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Scharf
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Mannschaften, durchweg aus Europäern – zumeist Osteuropäern, genauer: aus Polen, Ukrainern, Bulgaren und Rumänen. Dieser Umstand machte die Reederei „Fritjof Lunt“ schon zu einer besonderen, denn daß alle Offiziere Europäer waren, das gab es noch höchst selten, daß aber selbst die Mannschaften sich aus solchen rekrutierten, das war einmalig. Die meisten Eigner bereederten ihre Schiffe längst nur noch mit Filipinos oder Tuvalus und Kiribatis.
    Nachdem alle einmal kurz hineingespäht hatten – es gab ja außer einer Menge Instrumente, mit denen sie kaum etwas anzufangen gewußt hatten, nicht viel für die Leute zu sehen –, führte Sergei die Gruppe wieder hinunter auf das erste Aufbaudeck, auf dem sich sowohl die Küche als auch Mannschafts- und Offiziersmessen befanden. Der Schiffskoch, ein Rumäne, der von allen bloß „Smutje“ gerufen wurde, so daß die Berufsbezeichnung mit der Zeit seinen eigentlichen Namen vollständig verdrängt hatte und er sich mittlerweile sogar selbst nur noch mit „Smutje“ vorstellte, stand gerade in der Küche und rührte in einem großen Topf herum, der wohl das Mittagessen enthielt. Neben dem Koch stand einer der beiden jungen Stewards, die dem Smutje zur Unterstützung beigegeben worden waren, da dieser nun statt für fünfundzwanzig Personen bald für hundertfünfundsiebzig Menschen das Essen zuzubereiten haben würde. Der glatt rasierte junge Mann, welcher fast noch bubenhaft wirkte, war seit geraumer Zeit damit beschäftigt, Zwiebeln für den Eintopf zu schneiden, weshalb er ganz rotverweinte Augen hatte, was ihm sichtlich peinlich war, denn er hob nur kurz die Hand, in der sich das Messer befand, und kehrte den Schaulustigen dann wieder den Rücken zu. Auch hier wurde nicht lange verweilt, sondern der Dritte beeilte sich, mit Blick auf die achtern Wartenden, noch schleunigst den Maschinenraum abzuhaken.

    Fräulein Brunner hielt sich die Ohren zu und verzog gleichzeitig ihr – nicht mehr gerade hübsches – Gesicht zu einer häßlichen Grimasse, mit welcher sie wohl ihr Unbehagen über den Krach zum Ausdruck bringen wollte, als der Bulgare das Schott zum Maschinenraum aufstieß und die Leute hineinführte. „Da unten ist die Hauptmaschine“, rief er sehr laut, um gegen den ohrenbetäubenden Lärm anzukommen, „und das da sind unsere drei Generatoren, unsere Hilfsdiesel“, fügte er hinzu, während er den Arm mit ausgestrecktem Zeigefinger hob und damit auf die einzelnen Maschinen deutete.
    Dann ging es in den Maschinenkontrollraum, in dem die Lautstärke leidlich zu ertragen war, da das Stampfen der Kolben und das aggressive Heulen der Turbolader und Kompressoren nur noch stark gedämpft hineindrang. Auch roch es nicht so penetrant nach Schweröl, wie im eigentlichen Maschinenraum, den sie soeben passiert hatten. Hier trafen sie auf den Leiter der Maschinenanlage: ein freundlich lächelnder kleiner Kauz, der wie der Kapitän einen Vollbart trug. Seine ergrauten Haare standen regelrecht zu Berge und sein gesamtes Äußeres erinnerte weit mehr an einen zerstreuten Professor, einen exzentrischen Erfinder oder an einen genialen Komponisten als an einen Ingenieur. Auch er, Holger Krug, stand wie der Kapitän kurz vor dem Rentenalter und war gleich diesem noch voll im Besitz seiner körperlichen und geistigen Kräfte, die er zur Ausübung seines Berufes nötig hatte. „Grüßt Euch, seid‘s willkommen!“ posaunte er in unverkennbarem Bayerisch, wobei ein warmes Lächeln um seinen Mund spielte und seine Augen ebenfalls mitlächelten; zumindest hatte es so den Anschein.

    Auf dem Rückweg stießen sie beinahe mit dem Zweiten Ingenieur zusammen, der ein Bär von einem Burschen war; ein Ukrainer, der sich auf sein Handwerk verstand wie kaum ein anderer. Dem Dritten Ingenieur oder den beiden Ölern begegneten sie nicht. Kaum wieder an der frischen Luft, kramte Sergei Georgiev ein Horrorszenario hervor und breitete es vor den Landratten aus: „Falls das Schiff schnell sinken sollte, werden diese Rettungsinseln“, wobei er eines der weißen Plastikfässer berührte, „von selbst an die Oberfläche treiben und sich aufblasen. Es besteht also kein Grund zur Panik.“ Einigen, so auch Frau Brunner, stand für einige Sekunden das Entsetzen aufs Gesicht gezeichnet, wenngleich der Leichenblässe bald die Schamesröte folgte.
    „Wenn aber das Schiff“, führte er weiter aus, „was viel wahrscheinlicher ist, sehr langsam sinkt, oder es beispielsweise an einer Stelle

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