Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman
Stunden in der Schlange zum Einchecken der Gepäckstücke am Glasgower Flughafen, doch dieselbe schien sich keinen Deut nach vorn zu bewegen, so daß einige der Anstehenden schon begannen zu murren, was in Großbritannien, wo man es für gewöhnlich liebt, sich in Warteschlangen aufzureihen und seine Geduld zur Schau zu stellen, äußerst selten vorkommt.
Doch die Wartenden sollten bald erfahren, weshalb sich heute nichts bewegte, weswegen sich hinter den Schaltern keine Gesichter zeigten, wenngleich ihr Verständnis dadurch auf eine noch größere Probe gestellt wurde als durch die lange Warterei. Denn etwa eine Viertelstunde später ertönte aus allen verfügbaren Lautsprechern eine Durchsage folgenden Inhalts: „Den Fluggästen sämtlicher Fluggesellschaften mit der Destination Neuseeland ist mitzuteilen, daß ihre Flüge gecancelt wurden. Der Flugverkehr aus dem Vereinigten Königreich nach Neuseeland wird bis auf weiteres zur Gänze ausgesetzt. Das entschied heute horgen in Westminster das Parlament. Die Regierung hatte einen entsprechenden Gesetzesentwurf schon gestern eingereicht, der eine Reaktion auf die rassistischen, diffamierenden und völlig inakzeptablen Äußerungen verschiedener neuseeländischer Regierungsvertreter, allen voran denen des Außenministers, darstellt. Andere europäische Regierungen, namentlich jene von Dänemark und Österreich, kündigten an, das vorübergehende Notstandsgesetz ebenfalls einführen zu wollen. Ob die wertlos gewordenen Flugtickets erstattet werden, liegt im Ermessensspielraum der jeweiligen Airline.“
Die Wartenden blickten einander entsetzt an. Ein lautes, unzufriedenes Gemurmel, in das sich hin und wieder Flüche und Verwünschungen von brisanter Härte mischten, war weithin vernehmbar. Doch es half alles nichts. Sollten die paar biederen Briten einen Aufstand wagen, den Flughafen ins Chaos stürzen, wegen einiger Hundert gestrichener Flüge? Das war nicht ihre Art, und so verlor sich die Masse recht schnell in allen Richtungen. Sie zerstreute sich binnen weniger Minuten so vollständig, daß nur noch Iain MacGregor, Francis Boyle und eine alte Dame dort standen, wo sich gerade noch die lange Warteschlange befunden hatte, wenn man von dem kleinen Pulk von Leuten absah, die noch am Schalter lehnten und jenem Häuflein, etwa einer Handvoll Personen, welche sich um einen abgesonderten Aschenbecher gruppierten.
Iain sagte gerade, erfüllt von Bitterkeit und Resignation, aber nicht ohne einen Anflug von Humor, zu seiner Freundin: „Nun stehen wir da – mit Wind im Haar.“ Doch statt Francis antwortete die alte Dame, die vor ihnen in der Schlange gestanden hatte und jetzt noch mit ihnen die Stellung hielt, während die restlichen Reisegäste längst den Rückzug angetreten hatten: „Da hilft bloß eines: der Wind muß aus dem Haar und in die Segel! Wenn sie vorhatten, für längere Zeit in Neuseeland zu bleiben, dann habe ich einen alternativen Reiseveranstalter für Sie in der Tasche.“ Francis und Iain stutzten und schauten einander und dann die alte Frau verwundert an. Sie verstanden nicht ganz, worauf sie hinauswollte, aber Iain hatte eine Ahnung, als er nachhakte: „Sie wollen sagen, wir sollen mit dem Schiff nach Neuseeland reisen? Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie den Flugverkehr streichen und die Leute mit dem Schiff auswandern lassen…“
„Glauben Sie mir: es gibt ein Schiff, das Kurs auf Neuseeland nehmen wird. Ich sprach erst gestern mit einer Freundin aus Plymouth darüber. Es wird in der Gegend um diese Stadt ankern und Leute an Bord nehmen. Die Überfahrt ist für wenig Geld zu haben, da der Reeder, scheinbar ein Mann aus Bremen, der der neuseeländischen Sache nicht abgeneigt ist, nur die Unkosten berechnet.“
„Das ist ja ein starkes Stück!“ rief Iain aus. „Und dazu vielleicht unsere einzige Chance“, ergänzte ihn Francis, seine bessere Hälfte.
„Ich selbst bin jetzt auch auf diese Seereise angewiesen, seit die Regierung meinen Flug – wie die Ihren – ersatzlos gestrichen hat…“, warf die alte Dame ein.
„Wie heißen sie überhaupt, gnädige Frau?“ wollte Iain wissen.
„Mein Name ist Sheffield, Madeline Sheffield,” flötete die Frau melodisch, jedoch mit kratziger Stimme, „und ich komme ursprünglich aus York; ich wohne erst seit ein paar Jahren hier“, fügte sie hinzu. Auch Iain und Francis stellten sich vor.
„Wir sind hoch erfreut, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben, Mrs. Sheffield“, sagte
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