Das Kreuz des Zitronenkraemers
außen verlegt worden. Ich hatte immer geglaubt, dass dadurch der wahre Aufenthaltsort für immer verloren sei. Doch dann schneiten Sie mir ins Haus und plapperten wie ein Schulmädchen stolz von dem tollen Wappen in Ihrem Wohnzimmer … Von dessen Existenz hatte ich vorher nichts gewusst. Ich sage ja. Alles göttliche Fügung … Meine Mutter hat mir von Kindesbeinen an unsere Geschichte erzählt … Aber was geht Sie das eigentlich an?“
Auffordernd sah er ihr nun in die Augen. Anne senkte den Blick, sie hielt seinem nicht stand. „Ich gebe Ihnen die Dokumente, wenn sie Andreas Steinmetz freilassen.“ Jetzt lachte er laut. „Ohne den Schmuck sind die Dokumente wertlos … Sind es wirklich Urkunden über den Schmuck?“
Jetzt war Anne wieder am Ruder. „Es handelt sich um Besitzurkunden, um genau zu sein. Sie sind sehr gut erhalten …“
„Und deshalb brauche ich sie.“ Sein Gesichtsausdruck jetzt trotzig. „Wenn ich den Schmuck habe, beweisen die Papiere, dass ich der rechtmäßige Besitzer bin … also … geben Sie mir endlich, was mir gehört!“
„Was ist mit Andreas?“ Anne wollte nicht locker lassen.
„Der ist mein Pfand für den Schmuck selbst.“
„Dann lassen Sie uns verhandeln. Gewähren Sie wenigstens noch eine Woche Aufschub als Gegenleistung. Claire Steinmetz ist … “
„Ich glaube nicht, dass er noch solange Zeit hat.“ Schönemann flüsterte mehr als er sprach. „Warum?“
„Er ist krank.“
„Dann lassen sie uns endlich handeln“, redete Anne auf ihn ein. „Hier sind ihre Papiere.“
Anne hatte die Ausdrucke aus der Aktentasche gezogen und hielt sie dem Mann vors Gesicht.
Er griff danach und schaute erst die Papiere und dann Anne fassungslos an.
„Was soll das sein?“ Seine Hände zitterten. „Wollen Sie mich verarschen?“ Seine Augen blickten von einer Sekunde zur nächsten abgrundtief böse. „Hat mein Vorfahr diese Dokumente etwa mit dem Computer geschrieben?“ Er warf den Packen in die Luft und die einzelnen Blätter rieselten langsam wieder zu Boden. Anne bückte sich, um sie wieder aufzuklauben. Er stand einfach nur da. „Die Originale habe ich natürlich nicht bei mir“, erklärte sie ohne aufzublicken. „Die sind an einem sicheren Ort. Sie bekommen sie erst dann, wenn Andreas Steinmetz wohlbehalten auf freiem Fuß … “ Sie spürte hartes Metall an ihrer Schläfe. Anne richtet sich langsam auf. Krampfhaft hielt sie sich an dem Packen Papier fest. Der Druck am Kopf ließ nach. Dann drehte sie sich um. Die Pistole war direkt auf sie gerichtet. Er stand keinen Meter von ihr entfernt. Anne sah sich hektisch um. Die Frau mit dem kleinen Hund war verschwunden. Der Mann in der Mitte des Weihers saß mit dem Rücken zu ihr in seinem Boot. Außerdem war er viel zu weit weg. Anne wusste nicht, ob sie schreien sollte. Aber vielleicht drückte er dann ab. Sie tat nichts.
„Ich bin sehr enttäuscht von Ihnen.“ Seine Stimme ruhig und gefasst. „Ich hatte Sie für einen ehrlichen Menschen gehalten … und dann kommen Sie mir mit so was“, jetzt wieder wütend schlug er ihr die eben erst aufgesammelten Dokumente aus der Hand, „los, gehen Sie vor!“
Er wies mit dem Pistolenlauf die Richtung. Anne setzte sich in Bewegung. „Wir machen einen kleinen Ausflug.“
Er ließ Anne in die Richtung der Bank stolpern, auf der sie vorhin gesessen hatten. Anne fühlte sich wie in einem bösen Traum. Nichts hiervon schien ihr real. Sie wollte die Handtasche öffnen, um an das Pfefferspray zu kommen. Ein gezielter Hub direkt in die Augen … Er riss ihr die Tasche aus der Hand und nahm sie an sich. Hinter der Bank war ein kleiner Durchgang in der Hecke. Den hatte sie eben nicht bemerkt. Sie musste sich bücken, um durchzukrabbeln. Mit den Haaren blieb sie in dem Gestrüpp hängen. Er half ihr, loszukommen. Dann standen sie in einer kleinen Nebenstraße. Direkt vor ihr der Lieferwagen. Er hielt ihr den Schlüssel hin. „Sie fahren.“ Wie ein Gentleman hielt er ihr die Fahrertür auf. „Bitte einzusteigen, Madame.“ Wie gefangen in einem Albtraum ließ Anne sich hinter das Lenkrad sinken und zuckte beim Zuschlagen der Tür in sich zusammen. Reglos beobachtete sie den Kaufmann um den Wagen laufen und starrte zitternd nach vorn, als sie ihn neben sich Platz nehmen hörte.
„Also“, der Mann fasste sie grob am Handgelenk, „wo sind die Originale?“
Wartend ruhte der Pistolenlauf auf Anne gerichtet in seiner Hand. Sie überlegte krampfhaft. Sollte sie einfach
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