Das Kreuz des Zitronenkraemers
Grüße von Fräulein Seifert!“, säuselte er ihm ins Ohr. Schlagartig wach sprang Hannes aus dem Bett. „Anne! Um Himmels willen, geht es ihr gut? Hat sie Paula gefunden? Mein Koffer, hat sie mir einen Koffer gepackt?“, überhäufte er den Anwalt mit Fragen. Grinsend setzte sich dieser auf den maroden Stuhl. „Vielleicht ziehen Sie sich erst mal etwas über und dann beantworte ich alle Fragen. Frau Seifert geht es aber gut.“
Entsetzt stellte Hannes fest, dass er nackt in seiner Zelle stand. Nach der sportlichen Einlage hatte er es vorgezogen, ohne die vor Schweiß triefende Wäsche zu schlafen. Etwas beschämt wickelte Hannes sich schnell ein Duschtuch um die Hüften und setzte sich auf die Bettkante.
„Hier ist Ihr wohl heiß ersehnter Koffer. Ihre Freundin hat ihn mir gleich heute Nachmittag gebracht. Dem Hund geht es auch gut. So wie ich die junge Dame einschätze, wird sie sich rührend um ihn kümmern. Ich habe Ihnen übrigens auch noch etwas mitgebracht, was Sie sicherlich erfreuen dürfte.“ Er streckte Hannes den Trierischen Volksfreund entgegen. Hannes las den fett eingekreisten Artikel:
Tragischer Mord am Zitronenkreuz
Am Sonntag, dem 21.05.06 wurde der bekannte Düsseldorfer Schmuckhändler Bernd S. am Zitronenkreuz (Verbandsgemeinde Schweich) erschossen aufgefunden. Wie die Zeugin Mathilde K. berichtete, entdeckte sie den Toten gleich neben dem dort tätigen, bewaffneten Jagdaufseher Hannes H., der sofort von der Polizei festgenommen und anschließend inhaftiert wurde. Dieser streitet die Tat jedoch vehement ab. Ein mögliches Mordmotiv könnte jedoch auch im familiären Bereich liegen, wie man aus früheren Düsseldorfer Presseberichten entnehmen kann. Nach dem Tod des Seniorchefs Arno S. kam es zwischen den beiden Söhnen zu Erbstreitigkeiten. Die neue Geschäftsleitung sollte sein allein stehender Sohn Bernd übernehmen, der bereits seit Jahren einige Filialen erfolgreich führt. Der branchenfremde Andreas S., ficht das Testament jedoch an. Handelte es sich um einen Mord aus Habgier? Der TV bleibt dran.
„Was ist denn daran erfreulich, dass ich jetzt schon in der Zeitung stehe? Jeder Depp, der auch nur die geringste Ahnung von der Jagd hat, weiß doch gleich, dass ich damit gemeint bin! Hannes H.! Die Bekonder werden sich das Maul zerreißen!“ Wütend knallte Hannes die Zeitung in die Ecke. „Immer mit der Ruhe!“, versuchte Lehnertz zu beruhigen. „Wie ich die Sache sehe, handelt es sich wohl um eine Familientragödie. Der wahre Mörder wird sicherlich schnell gefunden und Sie damit entlastet. Wenn Sie die Story dann noch geschickt vermarkten und sich freundlicherweise für ein Interview mit dem TV zur Verfügung stellen, springt sicherlich eine Werbekampagne für Ihren neuen Wein heraus. Und Ihr Name ist ja nun bekannt!“
„Hoffentlich haben Sie Recht!“, murmelte Hannes nachdenklich. „Bestimmt“, erwiderte er überzeugend, „und Sie haben sicherlich nichts mit dem Mord zu tun, so weit reicht meine Menschenkenntnis aus. Machen Sie sich mal nicht so einen Kopf. Solche Sensationsmeldungen sind auch meist schnell wieder vergessen.“ Während er aufstand, streckte er Hannes die Hand entgegen. „Vielleicht sehen wir uns ja schon nächste Woche bei mir im Büro! Ansonsten hören Sie von mir. Bis dahin!“ Er klopfte an die Metalltür und der Wärter ließ ihn heraus.
Den Koffer hatte er vor den Schrank gestellt. Gespannt begann Hannes auszupacken. Oh Anne! Sie war eben doch noch sein bestes Stück. Sogar an die neue Wild und Hund hatte sie gedacht. Diese Ausgabe lag zwar bereits seit über einer Woche zu Hause auf dem Nachttisch, aber bislang hatte Hannes noch keine Zeit gefunden, darin zu lesen. Weiter fanden sich noch eine Hose, ein leider etwas spärlich gefüllter Kulturbeutel, T-Shirts, Socken und Unterwäsche im Koffer. Außerdem ein gemütlicher Jogginganzug, den Hannes gleich anzog. Die Hose zwickte etwas, hatte aber zum Glück einen Gummizug! Hannes beschloss, gleich morgen mit seinem Sportprogramm fortzufahren. Die zwei belegten Brote mit Gouda und Schinken verdrückte er trotzdem genüsslich, während er interessiert seine heiß geliebte Lektüre studierte. Amüsiert las Hannes wie immer zuerst „Wetzels Landleben“. Die Jagdgeschichte „Wenn das Handy dreimal klingelt“ war auch diesmal ein echter Brüller. Auf der nächsten Seite fand er ein leckeres Wildgericht: Schwarzwildrücken mit Ahornsirupjus! Sehnsüchtig starrte Hannes auf die
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