Das Kreuz des Zitronenkraemers
gepackten Tüten wieder nach Hause kam. Paula selbst trug ein neues Outfit, bestehend aus knallrotem Halsband und dazu passender Leine. Die aufgestickten weißen Knochen würden im Dunkeln leuchten und seien der Hit in dieser Saison, hatte die Verkäuferin begeistert erzählt. Was Hannes wohl dazu sagen wird, wenn Paula zukünftig auf der Jagd bei einsetzender Dämmerung zu strahlen anfängt? Anne seufzte, auch egal. Wahrscheinlich würde ihm noch nicht mal auffallen, dass sein Hund neu eingekleidet war.
Schnell packte sie Hannes neue Klamotten und die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift Wild und Hund in den kleinen Koffer. Außerdem schmierte sie noch ein paar Brote und warf sie obendrauf. Sie wusste zwar nicht, ob das erlaubt war, aber einen Versuch sollte es wert sein. Das Knastessen war sicher schrecklich. Und Hannes aß doch so gern!
So, wo war jetzt diese Anwaltskanzlei? Die Adresse stand auf dem Briefkopf. Auch das noch.
Eine Adresse im Stadtteil Feyen. Da würde sie wohl den Wagen nehmen müssen.
Sie parkte direkt vor einem kleinen Tante Emma Laden. Dass es so was heute noch gibt, dachte Anne und wollte im nächsten Moment ihren Augen nicht trauen. Das kann doch nicht wahr sein! Aber so lange sie das Schaufenster des kleinen Ladens auch anstarrte, die Dekoration aus bunten Klebestreifen wollte sich trotzdem nicht in Luft auflösen. Anne glaubte, unter Verfolgungswahn zu leiden. Sie wurde doch tatsächlich von diesem Wappen verfolgt!
Diesmal in Farbe und nicht in Stein gemeißelt, schienen die Vögel auf dem Karren ihr direkt in die Augen zu stieren.
Anne riss sich von dem Anblick los und schaute stattdessen auf ihre Uhr, schon kurz nach eins. Jetzt wurde es wirklich Zeit, dass sie zum Anwalt kam. Schließlich konnte sie es kaum erwarten, endlich ein paar handfeste Informationen zu bekommen. Außerdem wartete Hannes sicher sehnsüchtig auf seine Sachen.
Anne erkannte das Haus auf Anhieb. Der moderne Bürokomplex fiel inmitten der einfachen Mehrfamilienhäuser sofort ins Auge. Aus dem Hinweisschild vor der Eingangstür entnahm sie, dass sich neben der Kanzlei des Wilhelm Lehnertz noch das Büro eines Architekten und eines Notars im Gebäude befanden.
Der Anwalt residierte im zweiten Stock und Anne zuckelte mit dem Aufzug zur entsprechenden Etage. Sie landete direkt in einer geräumigen Empfangshalle.
Eine dezent geschminkte und gelockte Brünette im eleganten Hosenanzug mit farblich passendem Halstüchlein saß an einem Schreibtisch aus Glas und Aluminium.
Anne kramte in der Handtasche nach dem Brief des Anwaltes und legte ihn auf den Schreibtisch. „Anne Seifert mein Name, Herr Lehnertz hat mich sozusagen hier einbestellt, ich habe keinen direkten Termin … “ „Ja, er hat mich darüber informiert“, unterbrach die Dame und gab Anne den Brief ihres Chefs zurück. „Herr Lehnertz befindet sich gerade noch in einem Gespräch, anschließend wird er Zeit für Sie haben. Möchten Sie in der Zwischenzeit vielleicht einen Kaffee?“
Anne wollte gerade dankend annehmen, als die Tür zum Büro des Anwalts aufflog und zwei Männer in fast identischen grauen Anzügen ausspuckte. Einer der beiden rauschte an Anne vorbei in Richtung Fahrstuhl. Die Empfangsdame sprach leise mit dem verbliebenen Herrn. Dieser musste dann wohl der Anwalt sein.
„Ah, Frau Seifert, Wilhelm Lehnertz, Rechtsanwalt. Schön, dass Sie meine Nachricht erhalten haben, folgen Sie mir doch bitte in mein Büro.“ Er hielt Anne galant die Tür auf und ließ sie in sein Heiligtum. Anne nahm auf einem Sessel vor einem überdimensionalen Mahagonischreibtisch Platz.
Das Telefon, eine einzige Ablage und ein Laptop wirkten etwas verloren auf der riesigen Tischplatte.
Herr Lehnertz versank in seinem Ledersessel und war gleich zehn Zentimeter kürzer.
„Wie gesagt, schön, dass Sie die Nachricht erhalten haben, dies sind vermutlich die benötigten Utensilien für Herrn Harenberg“, erkannte er messerscharf und deutete auf den Koffer. „Ich werde Herrn Harenberg noch heute die Sachen bringen, ich muss sowieso mit ihm sprechen. Es gibt neue Erkenntnisse, die er vermutlich noch nicht weiß, schließlich hat er sicherlich noch nicht den Trierischen Volksfreund abonniert.“
„Was?“, wunderte sich Anne. „Steht zu dem Fall denn heute schon was in der Zeitung?“ „Ja, der TV war fix. Wie die Polizei gestern in einer Pressekonferenz mitgeteilt hat, ist der Tote bereits identifiziert. Wenigstens so gut wie. Nach den Papieren in seinem
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