Das Kreuz des Zitronenkraemers
dazugehörige Abbildung. Um sich nicht länger selbst zu quälen, blätterte er schnell weiter. Im Anzeigenteil angelangt, prangte ihm in der Rubrik „Jagdverpachtungen“ eine groß gerahmte Annonce entgegen:
Biete Jagdgelegenheit in abwechslungsreichem Niederwildrevier an der Mosel (Nähe Trier). Sauen als Standwild. Gute Reviereinrichtungen und Jagdhütte vorhanden. Golfplatz mit integriertem Biotop im Revier. Gute Möglichkeit zur Enten- und Fasanenjagd. Spätere Mitpacht oder evtl. Pachtübernahme möglich.
Chiffre J 1976
Seltsam, das hörte sich doch stark nach dem von ihm betreuten Revier an! Hannes Hirn ratterte: Pächter Gritzfeld kann doch überhaupt keinen Begehungsschein mehr vergeben! Die Reviergröße erlaubt dies doch nach dem Jagdgesetz gar nicht! Oder hatte er vielleicht einen der Mitgänger rausgesetzt? Aber wieso hatte er ihn über einen solch wichtigen Schritt nicht informiert? Schließlich ist es doch Hannes, der als bestätigter Jagdaufseher Gäste und Begehungsscheininhaber betreut. Nachdenklich ließ er die Zeitung sinken und machte sich bettfertig. Eigentlich wollte Hannes ja noch weiter lesen, aber die Annonce ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Also überflog er nur noch hastig und unkonzentriert einige Seiten, bis er irgendwann mit der Zeitung auf der Brust einschlief.
*
Am Abend fuhr Anne mit Paula zum Reitstall. Sie freute sich auf einen entspannenden Ritt und hoffte, sich dadurch etwas ablenken zu können. Außerdem tat ihr das Pferd leid. Anne hatte ein schlechtes Gewissen, ihre Stute war dieses Wochenende wirklich vernachlässigt worden. Aber im Moment war eben alles ein wenig anders.
Am Stall angekommen, begrüßte Paula sofort lautstark die Terrier und war fortan so beschäftigt, dass sie Anne keines Blickes mehr würdigte. „Na ja, auch gut“, seufzte Anne und kramte ihre Reitstiefel aus dem Kofferraum.
Von wegen Entspannung und Ablenkung! Der Mord und die Inhaftierung von Hannes waren natürlich das Thema bei ihren Stallgenossen. Hätte sie sich eigentlich denken können.
Nachdem Anne ungefähr zum zehnten Mal immer wieder dasselbe erzählen musste, hatte sie die Nase voll. Ihre Stute Pam schien sie auch nicht wirklich vermisst zu haben, sie nahm zwar auf der Koppel gnädigerweise ein Äpfelchen entgegen, drehte sich dann aber abrupt um und schlenderte zurück zu ihren Artgenossen.
Nun völlig genervt, beschloss Anne unverrichteter Dinge wieder nach Hause zu fahren. Nur ging das leider nicht. Paula war nirgends zu finden. Anne setzte sich auf die Terrasse vorm Reiterstübchen und genehmigte sich eine Apfelschorle. Barbara war auch dort und bügelte ihre Wäsche. „Sie haben alle Jäger aus dem Revier befragt“, erzählte sie. Anne wunderte sich. „Aber ich dachte, sie verdächtigen irgendjemand aus der Familie, irgendjemanden aus Düsseldorf … “
„Ja, ja“, unterbrach Barbara, „so steht es in der Zeitung, aber hier unter den Jägern scheint auch irgendetwas nicht zu stimmen. Hab ich jedenfalls gehört. Es soll Streitigkeiten im Revier geben. Außerdem gibt es Gerüchte über Gritzfeld … die sind sich zurzeit alle Spinnefeind … “ Barbara setzte eine verschwörerische Miene auf. „Und dieser reiche Düsseldorfer, der Tote, der soll Interesse am Revier gehabt haben. Ich könnte mir gut vorstellen, dass er dann alle anderen hier rausgesetzt hätte … “
In diesem Moment rannte Paula im Affenzahn mit den Terriern im Schlepptau an der Terrasse vorbei. Anne benötigte nur eine Viertelstunde, um sie einzufangen.
Zu Hause bezog Anne ihr Bett frisch und drapierte für Paula eine alte Wolldecke daneben. Endlich konnte sie es sich im Arbeitszimmer vorm Computer bequem machen, gemeinsam mit einem Glas Rotwein und Käse. Als Anne den Rechner hochfahren ließ, erinnerte sie sich an die italienischen Trauben. Die würden jetzt perfekt passen. Sie wickelte die Trauben aus dem Papier. Der Verkäufer hatte zum Verpacken eine alte Zeitung verwendet. Nein, Moment mal, kein altes Zeitungspapier. Dies war eine Seite aus der heutigen aktuellen Ausgabe. Jetzt konnte Anne die Schlagzeile in fetten schwarzen Lettern lesen. „Tragischer Mord am Zitronenkreuz“ Anne las den ganzen Artikel. Das war ja praktisch, die Zeitung gratis zu den leckeren Trauben dazu.
Endlich war das Internet startklar. Also, welchen Suchbegriff soll ich denn eingeben, dachte Anne, wie wär’s denn mit „Zitronenkreuz“?
Anne klimperte in die Tasten und die Suchmaschine
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