Das Kreuz des Zitronenkraemers
gefundenen Fahrzeug handelt es sich um einen Geschäftsmann aus Düsseldorf. Einen Juwelier um es genauer zu sagen, Inhaber einer Schmuckgeschäftskette. Er muss außerordentlich reich sein, ähm, gewesen sein. Die Polizei wird darin das Tatmotiv sehen, so vermute ich zumindest und den Täter im unmittelbaren Umfeld des Ermordeten suchen. Geldgier war schon immer ein beliebtes Mordmotiv. Die hundertprozentige Identifizierung muss natürlich noch von einer nahe stehenden Person erfolgen.“ Er legte eine kleine Pause ein und ließ seine Worte erstmal wirken.
„Aber all dies ist natürlich sehr gut für unseren gemeinsamen Freund Herrn Harenberg.“
„Ach, ich wusste gar nicht, dass Sie sich kennen … “, stammelte Anne ein wenig erdrückt von der Flut der Informationen.
„Das war doch nur so eine Redensart“, klärte Herr Lehnertz auf. „Nichtsdestotrotz, es sieht wohl momentan ganz gut aus für Herrn Harenberg. Natürlich muss er den Abschluss der kriminaltechnischen Untersuchungen abwarten, schließlich ist er zur Zeit noch der einzige bekannte Tatverdächtige, aber ich denke, wir werden ihn Ende der Woche, spätestens Montag rausholen.“
„Aber warum wurde dieser Juwelier dann hier, bei uns, erschossen? Können die Düsseldorfer ihre Morde nicht bei sich zu Hause erledigen?“, fragte Anne mehr sich selbst.
„Nun, das weiß ich natürlich auch nicht, vermutlich ist es eben einfacher, jemanden in dieser Gegend im Wald, als in Düsseldorf mitten auf der Kö zu erschießen, nicht wahr?“, gab der Anwalt mit einem professionellen Lächeln auf den Lippen zurück. „Wie auch immer, Frau Seifert, ich habe noch einen Termin und muss ja dann auch noch zur JVA, Sie wissen schon. Ich danke Ihnen sehr für Ihre Kooperation und werde Herrn Harenberg die besten Wünsche von Ihnen ausrichten. Wenn noch irgendetwas sein sollte, womit ich Ihnen behilflich sein kann, rufen Sie mich bitte an, meine Sekretärin wird Ihnen meine Karte geben.“
Mit diesen netten aber bestimmten Worten erhob sich Herr Lehnertz mit einiger Anstrengung aus den Tiefen seines Sessels und schüttelte Anne kräftig die Hand. „Nun, vielen Dank“, meinte Anne und fühlte sich ein wenig überfahren, „ach ja, und richten Sie doch bitte Hannes aus, ich meine natürlich Herrn Harenberg, dass es Paula gut geht.“ „Sicher, mache ich doch selbstverständlich“, lächelte Herr Lehnertz und zwinkerte Anne mit einem Auge zu. „Wundert mich nicht, dass die Katze sich in Ihrer Obhut wohl fühlt.“
Als Anne bereits wieder unten auf der Straße stand, fiel ihr ein, dass sie gar keine Karte mitgenommen hatte. Na, egal, sie hatte ja den Briefumschlag mit der Adresse, falls nötig. Aber irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, warum sie diesen aalglatten Zeitgenossen in seinem grauen Anzug nochmals besuchen sollte. Wenigstens hatte sie noch Paulas Ehre gerettet und die Art und Weise ihrer Spezies klar gestellt.
Anne war erstmal erleichtert. So wie es aussah, war Hannes wohl doch nur zufällig in diesen Schlamassel geraten. Hoffentlich wurde der richtige Mörder bald gefunden!
Wie magisch angezogen wanderte Anne zurück zu dem Tante Emma Laden. Vielleicht konnte ja der Ladenbesitzer zu dem Wappen auf seinem Schaufenster etwas erzählen.
Anne erschrak sich über das laute Kling-Klang der Ladenglocke, als sie die Tür aufdrückte.
„Schönen guten Tag, junge Frau“, begrüßte sie ein Mann mit grüner Schürze freundlich.
Anne sah sich um. Sie fühlte sich in der Zeit zurückversetzt. Der ganze Laden war im Stil der 70er Jahre aufgemacht. Nein! Er war aus den 70ern! Weiß furnierte Regale, die Theke mit der alten Waage, die Aufschnittmaschine mit der Handkurbel.
Eine Erinnerung aus ihrer Kindheit wurde in Anne lebendig. Der kleine Laden in dem Eifeldorf, aus dem sie stammte.
„Na, was kann ich denn für Sie tun?“ Anne erwachte aus ihrem Tagtraum und sah verdutzt in das Gesicht des Verkäufers. Kurz gestutzte graue Lockenpracht, leicht fülliger Bauch, wohl so um die sechzig und laut dem Namensschild auf der Schürze der Herr Schönemann.
Anne wusste nicht, wie sie anfangen sollte. Vielleicht erst mal was kaufen. „Ja also, einen Liter Milch, bitte.“
„Aber gern“, antwortete Herr Schönemann und machte sich prompt auf den Weg zum Kühlregal. „Darf es denn sonst noch etwas sein?“
„Haben Sie schon von dem Mord gehört?“, platzte es aus Anne heraus.
„Mord, welchem Mord?“, wollte der Verkäufer ein wenig irritiert
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