Das Kreuz des Zitronenkraemers
mir leid, wenn ich mich wiederhole, aber ich denke, Sie sind hier Jagdaufseher“, knurrte er mit leiser und bohrender Stimme, „und da wollen Sie mir erzählen, dass Sie nicht wissen, wer in ihrem Revier zur Jagd geht?“
Darüber hatte Hannes sich auch schon Gedanken gemacht, Monsieur Kommissar hatte einen wunden Punkt getroffen. „Nein, tut mir leid, der Herr hat sich mir leider nicht mehr vorgestellt“, blaffte Hannes zurück, „aber, wenn ich mir seine Lage so ansehe, entschuldige ich diese Unhöflichkeit.“ Wütend senkte der Jagdaufseher den Blick zu Boden und versuchte sich das mittlerweile eingetrocknete Blut an seinen Händen mit ein paar nassen Grashalmen abzuwischen.
„Die Zeugin Mathilde Klassen hat ausgesagt, dass Sie sich über die Leiche gebeugt hätten. Können Sie mir erklären zu welchem Zweck Sie das getan haben?“
Hannes schluckte. „Das stimmt“, gab er zu, „ich wollte sehen, ob der Mann vielleicht noch lebt, wer er ist, was weiß ich, ich habe ihn halt umgedreht.“
„Sie haben Spuren verwischt.“ Hannes konnte diesem Blick kaum noch standhalten. Er brachte kein Wort mehr heraus. „Ihre eigenen Spuren vielleicht?“ Die Stimme des Kommissars war jetzt so leise, dass Hannes sie kaum hören konnte.
„Sie verstehen, dass wir Sie mit zur Wache nehmen müssen?“
„Was? Nein … ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß, ich kann Ihnen leider nicht helfen.“ Mürrisch besah sich Hannes seine verdreckten Hosenbeine, bevor er sich wieder dem Beamten zuwandte. „Ich muss das hier alles selbst erst mal verdauen. Hier liegt ein toter Mensch, in meinem Revier!“
„Chef“, ertönte die Stimme eines jungen Polizisten von hinten, „wir haben nur das hier in der Jacke des Toten gefunden, sonst nichts, kein Ausweis, keine Geldbörse, nichts.“
Hannes konnte einen Blick auf das Papier erhaschen, welches der Polizist aus einem Briefumschlag zog und dem Kommissar überreichte. Er kannte diese Wanderführer. Es handelte sich um eine Karte aus diesem Gebiet. Der Standort des Zitronenkreuzes war mit einem roten Kringel markiert. Daneben hatte jemand 06.00 Uhr notiert.
„Anscheinend war unser Freund hier verabredet“, murmelte Pelzer. Er wedelte mit dem Büchlein vor Hannes Gesicht herum. „Kennen Sie das?“, wollte er wissen.
„Ja klar“, gab Hannes zurück und bemerkte zu spät, dass er immer tiefer in dem Fettnapf, in dem er saß, versank. „Ich meine natürlich allgemein … “, stotterte er herum, „nicht diesen persönlich … diese Wanderführer kriegen Sie hier an jeder Tankstelle hinterher geworfen.“
„Aha“, grunzte die Bulldoge mit Namen Pelzer und schien die Nase nun gestrichen voll zu haben.
„Herr Harenberg, Sie verstehen wohl nicht ganz“, der Beamte fasste Hannes mit festem Griff an der Schulter, „Sie müssen mit uns kommen, Sie stehen unter Mordverdacht.“
Hannes klappte die Kinnlade runter. „Das ist doch vollkommen lächerlich“, stammelte er trotzig, „und außerdem kann ich gar nicht mit Ihnen kommen … Paula. Ich kann Paula nicht einfach hier zurücklassen. Sie wird hierher kommen und mich suchen.“
Wer denn in Gottes Namen Paula sei, und warum er nicht schon früher erzählt hatte, dass noch jemand hier gewesen ist, wollte der Kommissar entnervt wissen.
„Paula ist meine Jagdhündin und sie ist der Sau hinterher, als der Schuss gefallen ist. Habe ich doch eben schon gesagt.“
Pelzer hatte allerdings kein Verständnis für das Schicksal eines fraglich existierenden Hundes.
„Sie sollten Ihren Anwalt anrufen“, riet er.
„Meinen Anwalt?“ Hannes sah Pelzer hilflos an. „Ich habe keinen Anwalt. Bisher habe ich auch noch nie einen gebraucht.“
Allmählich wurde Hannes seine Lage bewusst, er stand tatsächlich unter Mordverdacht. Mathilde hatte ihn erwischt, als er sich gerade über die Leiche gebeugt hatte. Niemand sonst war hier, seine Hände und Jacke waren mit dem Blut des Opfers verschmiert. Er hatte eine Waffe bei sich, allerdings jetzt nicht mehr. Sein Revolver befand sich zur Zeit in einer Art Frischhaltebeutel, Marke Polizei. Die einzige Entlastungszeugin, seine Hündin Paula, hatte sich vom Acker gemacht und frönte lieber ihren eigenen Jagdfreuden, als Hannes zur Seite zu stehen und seine Geschichte damit zu untermauern.
Was Mathilde wohl dem Kommissar erzählt hatte? Sie konnte doch nicht ernsthaft glauben, dass er ein Mörder sein soll! Scheinbar doch. Hannes kannte Mathilde seit dem Kindergarten, beide wohnten
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