Das Kreuz des Zitronenkraemers
im selben Dorf! In Bekond kannten sich doch alle.
Mein Gott, dachte Hannes. Er konnte nur noch den Kopf schütteln.
„Herr Harenberg, wir müssen jetzt los“, unterbrach die dunkle Stimme seines neuen Freundes Kommissar die Gedankenflut. „Kann ich bitte telefonieren?“, stammelte Hannes.
„Also jetzt doch einen Anwalt?“ „Nein, nicht Anwalt, Anne.“
Ungeduldig erklärte Hannes dem Polizisten, dass Anne seine Exfreundin sei, die Paula kenne und vielleicht hierher kommen könnte.
„Na gut, schaffen Sie Ihr angebliches Hundeproblem aus dem Weg, vielleicht zeigen Sie sich dann eine Spur kooperativer.“
„Kann ich dann bitte Ihr Handy haben, ich hab nämlich keins. Also, ich hab schon eins, unten in meinem Wagen. Ich nehme es nie mit zur Jagd, die Sauen fühlen sich gestört, wenn’s zwischendurch klingelt.“
„Den Standort ihres Wagens müssen Sie uns sowieso noch mitteilen, er wird einer kriminaltechnischen Untersuchung unterzogen werden müssen. Hier, mein Handy.“
Nach endlosem Klingeln ging Anne endlich ans Telefon. Sie benötigte eine Weile, um wach zu werden und zu verstehen, was Hannes eigentlich von ihr wollte. Fassungslos hörte sie seinen Erklärungsversuchen zu. Allerdings erzählte Hannes ihr eine leicht abgespeckte Version. Den Toten und seine eigene Festnahme ließ er vorsichtshalber weg, er wollte sie nicht zu sehr beunruhigen. Anne versprach trotzdem, sich sofort auf den Weg hierher zu machen. Für Paula war sie immer zu haben. Gut. Hannes atmete erleichtert aus. Wenigstens dieses Problem war nun schon mal gelöst.
Er gab dem Kommissar sein Handy zurück. „Na gut, ich wäre dann so weit“, gab Hannes klein bei.
„Also, Herr Harenberg, dann darf ich Sie nun bitten, einzusteigen.“
Hannes musste hinten in den Bus klettern und mit einem lauten Ploppen rastete die Türverriegelung ein. Die Fahrt führte über den geschotterten Weg bis zur Schleicher Anhöhe, anschließend kurvte der Trupp die Weinberge hinunter bis nach Mehring. Nach dreißig Minuten Fahrtzeit erreichten sie schließlich das Polizeipräsidium in Trier. Wie ein Schwerverbrecher, oder besser gesagt wie ein Mörder, wurde Hannes in Handschellen in ein Verhörzimmer geführt. Es war ein kahler Raum, lediglich mit einem leeren Schreibtisch und einem PC ausgestattet. Drei Stühle standen einsam um den großen Tisch herum, keine Spur von Gemütlichkeit. Wozu auch?
„So, dann nehmen Sie Platz“, sagte ein frischer Hauptkommissar, der sich mit Namen Lenz vorgestellt hatte. „Dann werden wir nun Ihre Personalien schriftlich aufnehmen. Name?“ „Hannes Harenberg, geboren am 13. Mai 1963 in Trier“, antwortete Hannes unsicher. „Wohnhaft?“ „Bekond.“ „Beruf?“, kam es monoton wie von einem Tonband. „Winzer, selbständig.“
„Herr Harenberg, Sie sind dringend verdächtig, den aufgefundenen Toten erschossen zu haben. Richter Lorenz wird per Aktenlage aus gegebenen Umständen nach §112 STPO sofort einen Haftbefehl erlassen. Möchten Sie dazu Stellung nehmen? Sie können natürlich auch die Aussage verweigern und sich erst mit einem Anwalt Ihrer Wahl beraten.“
„Aber ich habe doch gar keinen Anwalt und überhaupt ... “, stotterte Hannes, als der Kommissar in die Schublade griff und eine Telefonliste vorzog: „Suchen Sie sich einen aus! Es empfiehlt sich immer wieder, ohne vorhergehende anwaltliche Beratung keine Aussage zu tätigen, egal wie unbegründet Ihnen der Festnahmegrund erscheint! Und wie ich die Lage sehe ... , aber das sage ich Ihnen als Mensch und nicht als Polizist ...“, nuschelte er.
Festnahmegrund? Haftbefehl? Hannes Hirn wusste nicht mehr, welche Schreckensvorstellungen es zuerst an die Oberfläche lassen sollte. Er musste etwas unternehmen, konnte sich nicht einfach so in diesen Strudel hineinziehen lassen.
„Ich möchte einen Anwalt konsultieren“, hörte Hannes sich plötzlich sagen. „Gut“, antwortete Lenz im Beamtenjargon. „Sie erhalten dann nach der amtsärztlichen Untersuchung die Möglichkeit zu einem Telefonat. Folgen Sie nun bitte den Beamten und unserem Dr. Tessler. Über alles Weitere werden Sie informiert.“
Von zwei Schutzpolizisten begleitet wurde Hannes in einen winzigen Untersuchungsraum geführt. Zuerst wurden ihm beide Hände und Unterarme mit klebrigen Tüchern abgedeckt. „Damit werden eventuelle Schmauchspuren gesichert“, erklärte der Polizist freundlicherweise. „Aber klar werde ich Schmauchspuren haben, schließlich habe ich ja auch
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