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Das Kriegsbuch

Das Kriegsbuch

Titel: Das Kriegsbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis (Hrsg)
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und Streichhölzer hervor, zündete ein Streichholz an und hielt es sich vor das Gesicht (gelblich, schattig, tiefliegende Augen). Er beugte sich über den Tisch, um sich den Aschenbecher heranzuziehen (er war voll, und Asche war ringsum verstreut), dann zog er wortlos an seiner Zigarette und lehnte sich zurück.
    Und Davis starrte durch einen weißen Lichtkegel zwei Männer und ein Fenster an.
    Drei Uhr. Und die Blätter fürchten sich, sie zittern an den Bäumen.
    Er sitzt in einem dunklen Raum, einem Raum, der in orange und grün gehalten ist. Er raucht. Draußen vor dem Fenster bewegen sich schwerfällig die Äste von Bäumen wie die Beine sterbender Rieseninsekten. In der mit weißen Fliesen ausgelegten Küche dröhnt ein vergessenes Radio die Spätnachrichten heraus.
    (Wie kann man diesem Gefühl einschnürender Dunkelheit entfliehen?)
    Er hört Schritte auf der Treppe, und die Tür zum Treppenhaus öffnet sich. »Liebling …« Ihr steht der Schlaf noch in den Augen, und sie hält das Nachthemd vor der Brust zusammengerafft.
    »Ich konnte nicht schlafen.«
    Ein plötzlicher Windhauch versetzt einen Ast in heftige Bewegung und läßt ihn über das Glas scharren. Er zündet sich eine neue Zigarette an und langt mit zitternder Hand nach seiner Tasse. Kalter grauer Kaffee ergießt sich über die spiegelglatte Tischfläche, besprenkelt sie mit Kaffeesatz, der wie Schlacke aussieht.
    (»Wir müssen eine neue Schicht einlegen und vierundzwanzig Stunden produzieren.«
    »Ich glaube, Goodrich hat eine Zusammenstellung der neuen Zahlen.«
    Die Männer am Tisch wenden sich Goodrich zu, der aufgestanden ist und mit seinen Papieren raschelt, während seine Meerschaumpfeife Wolken ausstößt wie einer der Fabrikschornsteine.)
    Sie beugt sich zum Tisch. Die schlaffe Haut ihres Unterleibs bewegt sich leicht, ist umrißhaft unter dem Nachthemd zu sehen; ihre noch vergrößerten Brüste streifen ihren Arm. In einer Hand den feuchten Lappen, in der anderen die Tasse, so geht sie in die Küche und kehrt mit einem frisch aufgebrühten Kaffee zurück.
    »Die Bestellung ist verdoppelt«, erzählt er ihr. Ihr Haar ist verdrückt und hängt ihr in Strähnen um das Gesicht. Das Nachthemd geht ihr nur bis zu den Knien, und ihre Füße sind nackt; die Zehen hat sie gegen die Kühle einwärts gekrümmt.
    (Wenn das Denken unfruchtbar wird und keine Ideen mehr kommen, dann fällt das Ganze auseinander wie zersplittertes Glas.)
    »Liebling …«
    Oben wacht das Baby auf und beginnt, vom Wind geängstigt, zu weinen.
    Schließlich: »Sie machen Überstunden, wie, Mr. Davis?«
    »Das Jahr geht zu Ende. Da gibt’s eine Menge Papierkram.«
    Der Mann lächelte und ließ seinen Blick über die Gegenstände auf Davis’ Tisch wandern. »Aber Sie arbeiten doch nicht daran , oder?« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf die Schreibtischunterlage, auf der Davis’ Arm einen oft berichtigten Text verdeckte. »Ei ne Erklärung – vielleicht für die Presse?«
    Davis machte Anstalten aufzustehen, und der Mann an der Tür bewegte hastig den Kopf, um ihn im Auge zu behalten. »Bitte setzen Sie sich, Mr. Davis«, sagte der Dünne.
    »Wer sind Sie? Wie sind Sie hier hereingekommen?«
    »Setzen Sie sich.«
    Er ließ sich zurücksinken. Der Mann an der Tür wandte den Kopf und starrte wieder zum Fenster hinüber.
    »Es ist doch wirklich gleichgültig, wer wir sind, wie? Wir machen auch Überstunden, wie Sie – daran denken Sie bitte. Nur ein kleiner Besuch; wir sind vorbeigekommen, um uns ein wenig mit Ihnen zu unterhalten. Das ist alles.«
    »Wenn das ein Überfall ist, haben Sie leider den falschen Moment gewählt. Die Tresore sind für heute schon geschlossen. Und die Zahlgelder kommen morgen erst. Am Nachmittag.«
    Der Dünne drückte seine Zigarette aus, wobei er noch mehr Asche auf der Tischplatte verstreute. »Ehrlich, Mr. Davis, das hatte ich nicht von Ihnen erwartet.« Er legte eine Hand auf die lederne Seitenlehne seines Stuhls. Seine Finger waren lang und dünn und zitterten etwas. »Machen Sie unser kleines Gespräch nicht unnötig mühsam. Bitte. Es besteht kein Grund zur Besorgnis.«
    Jetzt konnte Davis auch die Gesichtszüge des Mannes am Fenster ausmachen. Er hatte ein unscheinbares Gesicht: fliehendes Kinn, zurückweichender Haaransatz – ganz durchschnittlich. Der Mann war ziemlich schwer und stand fest auf den Füßen, die Augen auf das Fenster gerichtet. Davis hatte plötzlich das Gefühl, daß er ein ehemaliger Sergeant sein könnte,

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