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Das Kriegsbuch

Das Kriegsbuch

Titel: Das Kriegsbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis (Hrsg)
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in Yale, wenn ich mich richtig erinnere …«
    Davis nickte.
    »Sie haben verdammtes Glück, daß er sich noch nicht mit den Sezessionisten eingelassen hat, kann ich Ihnen sagen; das ist eine Krankheit, die heute bei der jungen Intelligenz immer stärker um sich greift. Die Regierung hat sie bisher gewähren lassen, aber wir haben jetzt damit angefangen, einige der Führer hochzunehmen …« Er drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus und stieß sie nach vorn, als wollte er einen Schalter betätigen. »Innerer Unfriede. Das ist nicht gut für ein Land. Macht es uneins, führt zu einer Zersplitterung der Kräfte – wie bei einem Neurotiker. Kurz: das Ganze sieht schlimm aus. Außerdem brauchen wir die Truppen. Zuerst die Aufstände der Schwarzen, die Koalitionsmonopole, dann der Studentenzusammenschluß und jetzt die studentische Sezession. Ein dummer Protest, der allenfalls Symbolwert hat – aber er erfordert Kräfte, die die Regierung auf bessere Ziele verwenden könnte.«
    Er holte eine dritte Zigarette unter seinem Mantel hervor, zündete sie an und atmete Rauch aus.
    »Ich bin sicher, daß Sie das verstehen.«
    Es folgte ein kurzes Schweigen, während Davis das Photo anstarrte, das der Mann direkt auf die Schreibunterlage gestellt hatte. Das Licht der Lampe wurde vom Glas reflektiert und löschte das Gesicht seiner Frau und seines Sohnes aus, ebenso wie die Umrisse des Hauses dahinter. Rauch wälzte sich ins Licht.
    »Es dürfte Sie interessieren, daß nach einem Gerücht die Sezession indirekt durch Ihre Gesellschaft finanziert wird. Das ist natürlich von vorn bis hinten erfunden. Aber ich habe gehört, daß einige Studentenführer durchaus bereit sind, das zu beschwören – man fragt sich direkt, was für Motive die haben. Und –«
    »Ein Wagen kommt, Carl«, unterbrach ihn der Mann an der Tür.
    »Paß auf.« Er bewegte den Kopf nicht. »Und ich fürchte, daß … nun, sagen wir: gewisse Leute – und Gruppen – böse auf Sie wären, wenn Ihre Geschichte an die Öffentlichkeit käme.«
    »Er ist wieder weg. Der Nachtwächter.«
    »Zeit?«
    »Zwölf.«
    »Pünktlich.«
    Die Lichter im Hof gingen aus, als der Wagen des Nachtwächters das Westtor passierte. Lee saß jetzt bestimmt in seinem kleinen Raum, hatte gegen die Vorschriften das Radio an und aß die Sandwiches, die ihm seine Frau immer in einen Plastikbeutel packte.
     
    Davis schaute blinzelnd aus dem Fenster.
    Die Wolken draußen hatten die Farbe von Asche.
     
    Der Abend steigt über die Türme, Tanks und Kräne. Vom Fenster aus kann er nur die Fabrik und einen Streifen grauen Himmels sehen, der ihm jetzt düster und drohend vorkommt. Er weiß, daß die winzigen Gestalten Menschen sind, die sich dort drüben auf der anderen Seite der Betonfläche vor diesem Himmel auf den Gerüsten bewegen.
     
    Vater –
    Ein Produkt, das (wie Du sagst) für die Sicherheit der Nation wichtig ist …
    »Die chemische Reaktion läßt das Fleisch schmel zen, und das Fleisch läuft an ihren Gesichtern herab auf ihre Brust und setzt sich dort fest und wächst weiter. Die Kinder können ihre Köpfe nicht bewegen, so fleischbepackt sind sie. Und wenn der Brand einsetzt, schneiden sie ihre Hände, Finger oder Füße ab.« »Ihre Augen gibt es nicht mehr, sie sind zergangen, und ihre Ohren sind rohe, zugeschmolzene Fleischklumpen; sie ähneln unbedingt riesigen, verrottenden roten Blumenkohlköpfen.« »Zwanzig Zivilisten auf einen Soldaten.« Nachhall unserer Vergangenheit. Ad hominem! Ja, ich weiß, daß Du jetzt gleich daran gedacht hast – aber kommt es darauf an? Die Tatsache bleibt: wir begehen ein Verbrechen – eine Sünde, um ein Wort zu verwenden, das auch Dir geläufig ist – eine Sünde des Schweigens. Mindestens das, allermindestens das. Und was macht es schon, wie man das Dunkel findet, wie man schließlich in die entsetzlichen Tiefen hinter all den Worten vordringt! Man muß sich entscheiden: Was ist man der Gesellschaft schuldig, was kann diese Gesellschaft von einem verlangen, und was kann und muß man für sich behalten? Welche der Millionen von Bindungen zu den anderen Menschen scheinen einem die wichtigsten? Diese eine Frage stellt sich jetzt jedem. Und ich für mein Teil habe schließlich die Antwort gefunden, weiß endlich Bescheid …
    Was zugleich auch meine Antwort auf Deinen Brief ist. Den Brief, den Du Betty diktiert hast.
    In Liebe,
    David
     
    Langsam wird es draußen dunkel; die Farbe verändert sich von stahlgrau zu stahlblau und

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