Das kritische Finanzlexikon
übernimmt als weiterer Beteiligter das Ausfallrisiko gegen Zahlung einer Prämie. Der CDS wird gehandelt, und wer ihn besitzt, macht tolle Gewinne, sofern die Herren A, B, C und D beziehungsweise einer oder einige von ihnen wackeln. Damit kann man nun auf beide Ereignisse setzen. Erstens darauf, dass alles gut geht. Dann erhält man eine hohe Verzinsung. Zweitens kann man aber auch auf die Nicht-Rückzahlung wetten, indem man CDS kauft und im Katastrophenfall absahnt. Letzteres ist so, als würde man eine Feuerversicherung auf das Haus eines Nachbarn mit dem Ziel abschließen, die Versicherungsprämie zu kassieren, wenn dessen Haus abbrennt.
In der dritten Stufe haben wir es mit synthetischen CDO zu tun. Es handelt sich hierbei um eine künstliche Meta-Konstruktion auf der Basis von Kreditbeziehungen und Kreditrisiken. So vereinfachend das Beispiel auch sein mag, es wird hier der Wahnsinn deutlich, der im Zuge der Finanzkrise 2007 betrieben wurde. Dort hat man nämlich permanent neue Kreditportfolios zusammengemixt – einzig mit dem Zweck, diese mit CDS zu unterlegen . Aufgrund der Zahlenspielerei wirkten die Ausfallwahrscheinlichkeiten überhaupt nicht bedrohlich; dies ist ein Grund für die Tatsache, dass auch kritische Portfolios bis 2007 locker ein → Rating von AAA erhalten konnten.
Der Denkfehler liegt in dem rein mathematisch-statistischen Ansatz. Von dieser Warte aus gesehen sind die Ausfallereignisse nämlich vollkommen unabhängig voneinander. Mit anderen Worten: Wenn Mr. Abrahams aus Massachusetts (A) seinen Kredit nicht zurückzahlt, wird dies kaum einen Einfluss auf die Rückzahlung des Kredites haben, den Mr. Defoe aus Kalifornien (D) aufgenommen hat. Das ist jedoch grundfalsch. Denn was hier vollkommen ausgeblendet wird, ist die Vorstellung eines Zusammenbruchs des gesamten Marktes und damit aller Kreditengagements. Und den gab es im Endeffekt leider. Folglich können trotz der großen räumlichen Entfernung Mr. Abrahams und Mr. Defoe doch recht eng zusammenhängen, oder, wie Statistiker sagen, korrelieren. Bei einer sehr geringen Korrelation liegt die Ausfallwahrscheinlichkeit des Portfolios mit der Nichtrückzahlungsbedingung A oder B und gleichzeitig C oder D in der Tat dicht bei 3,61 Prozent; diese Wahrscheinlichkeit steigt aber mit wachsender Korrelation rasant an. Die Korrelation von 1 bringt dann den Tod, nämlich den vollkommenen Zusammenbruch des Gesamtmarktes bei Eintritt eines einzelnen Kreditausfalls.
Man kann das, was im Zuge des CDO-Wahns passierte, wohl kaum als Ausdruck von Naivität abtun. Dafür waren die Leute, die dies alles angezettelt hatten, vermutlich viel zu intelligent. Im günstigsten Fall muss man ihnen eine giergesteuerte Verblendung unterstellen. Viel eher ist jedoch gezielte Bösartigkeit zu vermuten. Die permanente Erschaffung und Marktplatzierung neuer, mit CDS unterlegter Portfolios war unverantwortlich, letztendlich sogar verbrecherisch. Hier war, wie Wolfgang Hetzer in seinem gleichnamigen Buch schreibt, eine »Finanzmafia« am Werk. Profitieren wollten alle, vor allem im Hinblick auf die Generierung von Handelsgewinnen und Transaktionsgebühren bei immer wieder neu in den Markt geworfenen »Innovationen«. Zum Schluss spalteten sich die Akteure in Gewinner und Verlierer auf. Diejenigen, die letztendlich nach dem Zusammenbruch des Subprime-Segments (vgl. → ninja loans und → Schattenbanken ) abgesahnt hatten, hatten sich bei synthetischen CDO rechtzeitig mit CDS eingedeckt. Auf der anderen Seite standen die Versicherer, allen voran die American International Group (AIG), die seinerzeit nur dank einer dreistelligen Milliardenhilfe der amerikanischen Regierung überleben konnte.
Systemrelevant
Die »Schlecker-Frauen« waren es leider nicht. Pech für sie. Als Anton Schlecker Anfang 2012 pleiteging, fielen aufgrund massiver Filialschließungen rund 11 000 Arbeitsplätze weg. Da die Drogeriekette vorwiegend Mitarbeiterinnen beschäftige, sprach man von den – nun bald arbeitslosen – »Schlecker-Frauen«. Zur Abfederung der finanziellen Folgen für die ohnehin nicht gerade im Hochlohnsektor beschäftigten NochAngestellten sollte eine Transfergesellschaft her. Dies bringt für die Betroffenen zwei Vorteile mit sich: Zum einen rutschen sie nicht gleich in die Arbeitslosigkeit. Zum anderen besteht hier die Möglichkeit einer Weiterbildung oder Umschulung.
Eine Transfergesellschaft benötigt Geld. Die Banken waren aber nur gegen Gewährung einer staatlichen
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