Das kritische Finanzlexikon
auszunutzen.
Im Jahr 2000 gab es etwa 50 sogenannte »Daytrading-Center«, in denen Hinz und Kunz vor Computermonitoren, die ihn mit Echtzeitkursen, Analysedaten (vgl. → Finanzanalysten ) und Wirtschaftsnachrichten versorgten, sitzen und versuchen konnte, innerhalb kürzester Zeit Handelsgewinne durch geschickten (oder eher glücklichen) Kauf und Verkauf von Aktien, → Devisen und → Derivaten zu generieren. Inzwischen ist die Technik so weit fortgeschritten, dass Schätzungen zufolge ungefähr 95 Prozent der daytrader ihrer Tätigkeit vom heimischen PC aus nachgehen. Die moderne Struktur des Internets macht’s möglich. Tageshändler nutzen heutzutage eine technische Ausstattung, die noch vor einigen Jahren nur professionellen Börsenhändlern vorbehalten war. Komplexe Informations- und Kommunikationssysteme, geeignete Software zur Analyse der Datenflut sowie schnelle Datenleitungen verhelfen dem daytrader innerhalb einiger Klicks zum schnellen Erfolg – oder auch Misserfolg. Die Branche stellt den Leuten liebend gern entsprechende Handelskonten und Internetplattformen zur Verfügung.
Die meisten daytrader machen keinen Hehl daraus, dass die Aussicht auf schnell und bequem verdientes Geld Triebfeder ihres Handels ist. Es gibt aber auch Tageshändler, die sich für Wohltäter der Volkswirtschaft halten. Durch ihr Tun, so behaupten sie, trügen sie zu einer höheren Effizienz der Kapitalmärkte bei. Sie würden dafür sorgen, dass die ganzen Märkte liquide blieben, da sie ja laufend Geschäfte tätigen und so den Handel beleben.
Das ist lustig. Mit dem gleichen Argument könnte ein Ladendieb behaupten, sein Wirken sei segensreich, weil dadurch Beobachtungsgabe und Reaktionsvermögen von Kaufhausdetektiven geschult würden. Nein – die daytrader stiften keinen Nutzen, sie verursachen Schäden. Durch ihr ausschließlich spekulativ orientiertes Handeln verstärken sie die ohnehin immer stärker wachsende Schwankungsanfälligkeit der Finanzmärkte (→ Volatilität ). Sie bereichern das unsägliche Börsengerede von »Entwicklungspotenzialen«, »neuen Assetklassen« und »Gewinnchancen«, sie treiben den Derivateanteil hoch, sie sorgen dafür, dass immer mehr »Finanzinnovationen« als Spekulationsköder ausgelegt werden.
Nach dem Platzen der Dotcom-Blase ab 2001, als die Kurse von Technologieunternehmen, die zuvor hochgejubelt worden waren, abstürzten, war es um die Tageshändler etwas ruhiger geworden. Im Zuge der fortschreitenden Vernetzung über das Internet drängen sie sich in der letzten Zeit jedoch wieder in den Vordergrund und propagieren das Prinzip des social trading. Dieser Begriff beschreibt den permanenten Informationsaustausch der daytrader community . »Signalgeber« machen beim social trading als erfolgreiche Handelsprofis Stimmung, die follower versuchen dann, die »Expertise« der Signalgeber für ihr eigenes Handeln auszunutzen.
Tender
Der Begriff Tender steht für die Geldversorgung von Kreditinstituten durch die → Europäische Zentralbank (EZB). Banken können über ihre nationalen Zentralbanken (Deutsche Bundesbank, Banque da France, Banca d’Italia etc.) der EZB gegenüber ihre Liquiditätswünsche kundtun. Erfüllt die EZB (als Chefinstitut der nationalen Zentralbanken) diese Wünsche, hinterlegen die Banken Wertpapiere und Kreditforderungen als Sicherheit und erhalten eine Gutschrift auf den Konten, die sie bei ihren nationalen Zentralbanken unterhalten.
Damit die Banken ihre Wünsche äußern können, schreibt die EZB in regelmäßigen Abständen sogenannte Tender aus. Hierbei gibt es zwei Formen: den Mengentender (auch Festzinstender genannt) und den Zinstender. Beim Mengentender gibt die EZB einen festen Zinssatz vor, der den Banken für die Geldüberlassung in Rechnung gestellt wird. Die Kreditinstitute müssten dann nur noch eine Angabe über die gewünschte Kredithöhe machen. Beim Zinstender gibt die EZB einen Mindestzinssatz vor; die Banken melden dann nicht nur die gewünschte Kredithöhe, sondern auch einen über diesem Mindestsatz liegenden Zinssatz, den sie maximal zu zahlen bereit sind.
Beide Formen geben der EZB einerseits die Möglichkeit, das Volumen der Kredite zu steuern, das sie bereit ist, dem Bankensystem zur Verfügung zu stellen; andererseits kann sie die Zinskonditionen bestimmen. Beim Mengentender justiert sie durch ihre Zinssatzvorgabe die Geldbeschaffungskosten der Banken auf die von ihr gewünschte Höhe. Darüber hinaus steuert sie nach Abgabe der
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