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Das kritische Finanzlexikon

Das kritische Finanzlexikon

Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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anfallende Börsentransaktionssteuer wirkt angesichts der ungeheuren Vielfalt von Finanzinstrumenten und des immensen Volumens außerbörslicher OTC-Geschäfte (→ over the counter ) wie der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein.
    Die EU-Kommission hat 2011 einen konkreten Vorschlag unterbreitet. Für den börslichen und außerbörslichen Handel von auf Aktien und Anleihen bezogenen Finanzinstrumenten sollen 0,1 Prozent, bei Derivaten 0,01 Prozent als Abgabe berechnet werden. Dabei soll das Geschäftssitzprinzip gelten. Nicht der Handelsort ist maßgeblich, sondern der Geschäftssitz des Finanzunternehmens. Auf diese Weise soll eine Verlagerung von Handelsaktivitäten in steuerfreie Länder verhindert werden. Will heißen: Auch wenn beispielsweise in Honkong keine Finanztransaktionssteuer eingeführt wird, soll diese anfallen, sobald ein in Honkong ansässiges Tochterunternehmen einer deutschen Bank dort handelt.
    Trotz der im EU-Vorschlag zugrunde gelegten äußerst geringen Steuersätze soll die Finanztransaktionssteuer jährlich
    57 Milliarden einbringen. Auch hieran kann man ermessen, um welche gigantischen Handelsvolumina es geht.
    Allerdings kann es nicht Sinn und Zweck einer Transaktionssteuer sein, staatliche Einnahmen zu maximieren. Es geht primär um die Eindämmung der Spekulation, das Gros der Finanztransaktionen muss wieder auf realwirtschaftliche Vorgänge entfallen. Von daher wäre eher ein Rückgang der Einnahmen zu begrüßen. Ein solcher Rückgang wird sich auch dann zwangsläufig ergeben, wenn die Gesetzgebungsorgane endlich einmal den Mut aufbringen, die Finanzakteure durch strengere Eigenkapitalvorschriften, Beschränkungen bei rein spekulativ ausgerichteten Geschäften und eine konsequente Regulierung von Hedgefonds an die Leine zu legen.
    Auf EU-Ebene wurde Anfang 2013 die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in elf Ländern (Deutschland, Frankreich, Österreich, Belgien, Estland, Griechenland, Italien, Spanien, Portugal, Slowakei und Slowenien) beschlossen. Aber eine schnelle Umsetzung ist nicht in Sicht. Vertreter der Finanzbranche warnen vor drohenden Milliardenlöchern, und die Briten zogen einige Wochen nach dem Beschluss zunächst einmal vor den Europäischen Gerichtshof. Auf der Insel befürchtet man Nachteile im Handel zwischen britischen Unternehmen und Firmen, die in einem der elf Länder ihren Sitz haben. Die britische Regierung müsse bei solchen Geschäften die Finanztransaktionssteuer einziehen, könne sie aber nicht in die eigene Tasche stecken. Dann könnten sich ja Finanzunternehmen eventuell vom Handelsplatz London zurückziehen.
    Ein notwendiges Instrument zur Eindämmung der unsäglichen Spekulation, die sich in unserem Finanzwesen ausgebreitet hat, wird wieder einmal zerredet.

U
    Nebelkerzen zünden und absahnen
    Es ist nicht zu leugnen, dass die Finanzlobby mit ihrer Deregulierungsstrategie erfolgreich war. Was jedoch an gesetzlichen und administrativen Regelungen weggefallen ist, kommt durch die Hintertür zurück: Bei der Ausgestaltung von Bankprodukten werden frei ausgehandelte Vertragsbeziehungen immer komplexer und sorgen für undurchsichtige Verhältnisse . Die Kunden müssen also gut aufpassen und genau nachhalten, auf was sie sich alles einlassen. Kommt seitens der Anbieter dann noch uneinsichtiges und unverantwortliches Handeln hinzu, gerät unsere gesamte Volkswirtschaft in höchste Gefahr. Und die Ungleichheit wird ohnehin weiter zunehmen.

Undurchsichtige Verhältnisse
    Es gibt im Grunde genommen nur zwei Wertpapiergrundformen, aus denen sich alle Finanzinstrumente ableiten lassen. Beide sind im Prinzip ganz einfach strukturiert und für jedermann leicht nachvollziehbar: die Aktie und die Anleihe (Schuldverschreibung).
    Mit der Ausgabe von Aktien verschafft sich ein Unternehmen Eigenkapital. Der Aktionär erwirbt eine Teilhaberschaft am Unternehmen; er darf auf der Hauptversammlung mitbestimmen und sich über eine Dividende freuen, sofern das Unternehmen Gewinn macht. Ist das Unternehmen auch längerfristig erfolgreich, wird der Aktienkurs steigen und dem Aktionär zusätzliche Gewinnmöglichkeiten bescheren. Mit der Emission einer Anleihe nimmt ein Unternehmen, eine Bank oder auch ein Staat quasi einen Kredit auf. Der Anleihenkäufer erwirbt kein Teilhaber- sondern ein Forderungsrecht. Als Gegenleistung für sein finanzielles Engagement erhält er Zinsen und am Ende der Laufzeit sein Geld zurück.
    Die von den Banken angebotenen → Produkte

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