Das kritische Finanzlexikon
den dort ansässigen Banken gekauft wird. (Der Anlegerkreis der Anleihe ist auf die jeweiligen Heimatbanken beschränkt, weil solche Anleihen auf den internationalen Märkten nicht vermittelbar sind.) Die Käufer der Anleihen hinterlegen nun diese Anleihen als Sicherheit (in diesem Zusammenhang ein sehr verwegener Begriff!) bei ihrer nationalen Zentralbank und erhalten – Geld (das sie vorher dem Staat in die Hand gedrückt haben).
Zu guter Letzt soll noch ein weiteres EZB-Instrument erwähnt werden: Target. Das T rans-European A utomated R ealtime G ross Settlement E xpress T ransfer System war bis vor einigen Jahren nur Fachleuten ein Begriff. Es handelt sich eigentlich auch nur um ein langweiliges technisches System, das der Verrechnung europaweiter Zahlungen dient und inzwischen zu einem Politikum geworden ist, weil man hieraus Haftungsfragen im Zusammenhang mit dem Europäischen Währungsverbund aufwerfen kann (vgl. → clearing).
Nehmen wir an, ein italienisches Unternehmen bezieht Waren von einem deutschen Lieferanten. Dann weist der Importeur zwecks Begleichung der Rechnung seine Hausbank an, sein Konto zu belasten und das Geld über die Hausbank des deutschen Exporteurs auf dessen Konto gutschreiben zu lassen. Da wir uns in »Euroland« befinden, ist keine Währungsumrechnung notwendig. Trotz Einheitswährung liegt jedoch eine »grenzüberschreitende Zahlung« vor, und damit kommen die EZB sowie die beteiligten nationalen Zentralbanken ins Spiel. Bei solchen grenzüberschreitenden Zahlungen stellt die EZB Target als Dienstleistung für die Banken zur Verfügung. In unserem Beispiel sähe die Verrechnung so aus, dass der italienische Importeur belastet wird und seine Hausbank eine Verbindlichkeit gegenüber der italienischen Zentralbank (Banca d’Italia) bucht. Diese wiederum reicht die Verbindlichkeit weiter an die EZB. Die EZB teilt ihrerseits der Deutschen Bundesbank mit, dass aufgrund des Import-Export-Geschäftes eine Forderung besteht. Man möge doch so freundlich sein, das Buchgeld der Hausbank des Exporteurs zur Verfügung zu stellen, damit diese den Betrag ihrem Kunden auf dem Konto gutschreiben kann.
Die Target-Maschine läuft auch im Zusammenhang mit reinen Finanztransaktionen auf Hochtouren. Bekommen griechische, spanische oder italienische (Multi-)Millionäre plötzlich Panikattacken, weil sie befürchten, dass ihre Heimatländer aus dem Euro aussteigen müssen, transferieren sie ihre Guthaben in ein »solides« Land. Nach dem Motto: »Wenn wir bei uns wieder Drachme, Peseta oder Lira einführen müssen, ist das ein Zeichen für Schwäche. Unsere Währung wird daher mit ziemlicher Sicherheit gegenüber dem Euro massiv an Wert verlieren. Da bunkere ich lieber jetzt schon Geld in Deutschland oder den Niederlanden, denn die werden den Euro behalten. Und dann habe ich auf jeden Fall eine schöne Rücklage in einer sicheren Währung.«
Auch solche Zahlungsströme werden durch Target verrechnet. Landet das Geld dann bei einer deutschen oder niederländischen Bank, erwirbt diese eine Forderung gegenüber ihrer Nationalen Zentralbank, der eine gleich hohe Target-Verbindlichkeit der griechischen, spanischen oder italienischen Nationalbank entgegensteht.
Aus Sicht der EZB als Leitstelle aller Zentralbanken im Eurowährungsraum ist die Sache ausgeglichen – ganz gleich, ob es sich um die Abwicklung von Export-/Importgeschäften oder um reine Finanztransaktionen handelt. Alle Forderungen entsprechen in ihrer Höhe exakt den Verbindlichkeiten. Dies ist schließlich das Prinzip des → clearing . Aus Sicht der nationalen Zentralbanken können sich jedoch große Unterschiede ergeben. Erwirtschaftet ein Land fortlaufend Exportüberschüsse oder Kapitalzuflüsse aus Finanztransaktionen, bauen sich bei der Zentralbank dieses Landes hohe positive TargetSalden auf. Bei exportschwachen Ländern türmen sich die Target-Defizite. Überschüsse und Defizite gleichen sich aber insgesamt gesehen aus.
Früher bewegten sich die Summen bei Target im niedrigen Millionenbereich, inzwischen sind mehrere Hundert Milliarden daraus geworden. Die Deutsche Bundesbank hatte Ende 2012 als »Exportweltmeister« einen Forderungssaldo von mehr als 700 Milliarden Euro, allerdings konnte sich gleichzeitig auch der 120-Milliarden-Saldo unseres verhältnismäßig kleinen Nachbarn Niederlande sehen lassen. Die Banca d’Italia hingegen verbuchte derweil ein Target-Minus von fast 300 Milliarden Euro.
Aber die Gelder sind ja
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