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Das kritische Finanzlexikon

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Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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Anfang Mai 2013 0,5 Prozent zuteilte. Weitere Zinssenkungen nicht ausgeschlossen. Und das Ganze für eine Laufzeit von drei Jahren.
    Eine gerade in jüngerer Zeit besonders wichtige ZusatzGeldquelle für das Bankensystem ist der Ankauf von Staatsanleihen (→ quantitative easing ). Dabei geht es eigentlich um eine Hilfe für klamme europäische Staaten. Die EZB kauft den Banken Staatsanleihen ab. Durch diese zusätzliche Nachfrage steigen wie üblich die Anleihenkurse, die Zinsen (Renditen) sinken. Beispiel: Ein als »schwach« bewertetes Euroland kann sich zurzeit nur Geld zu einem Zinssatz von 8 Prozent besorgen. (Die Finanzwelt möchte, wenn sie überhaupt Wertpapiere dieses Landes kauft, aufgrund der hohen Risikoeinschätzung einen hohen Ertrag realisieren.) Angenommen, das Land bringt nun eine Anleihe auf den Markt, die genau diesen Zinssatz gewährt. Irgendeine Bank kauft dann zum Beispiel 10 Millionen Euro dieser Anleihe, zahlt hierfür 10 Millionen Euro und erhält jährlich 800 000 Euro Zinsen. Die 8 Prozent machen dem Haushalt des Staates natürlich zu schaffen, also hilft jetzt die EZB. Sie interessiert sich für diese Anleihe, indem sie diese verstärkt bei denjenigen nachfragt, die sie bisher gekauft haben. Dies sind meist die üblichen Finanzmarktakteure wie Banken, Versicherungen, → Pensionsfonds etc. Durch die Nachfrage der EZB steigt der Preis; wurden vorher für 10 Millionen Euro Anlagebetrag (Nennwert) auch genau 10 Millionen Euro gezahlt (Kurs von 100 Prozent), werden jetzt vielleicht 11 Millionen Euro fällig (Kurs: 110 Prozent). Weil die EZB so freundlich ist und so viel für das Papier bietet. Die obige Bank, die 10 Millionen Euro in die Anleihe investiert hat, kann bei einem Weiterverkauf der Anleihe an die EZB zu 110 Prozent somit einen schönen Zusatzertrag kassieren. Aber auch für den Staat bringt das Eingreifen der EZB einen großen Vorteil mit sich. Denn der steigende Preis ist ein Signal dafür, dass dieser Staat mit seinen Problemen nicht im Stich gelassen wird. Er kann sich fortan zu besseren Konditionen Geld beschaffen, weil die EZB durch ihre Nachfrage Vertrauen geschaffen hat. Ob dieses Vertrauen berechtigt sein mag, ist ebenso Auslegungssache wie die zuvor unterstellte »Schwäche« des Staates. Aber die Finanzwelt freut sich über das Zusatzbonbon des Kursgewinns.
    Die EZB hält jetzt große Teile der alten 8-Prozent-Anleihe in ihren Büchern und ist damit wichtiger Finanzier des entsprechenden Staates. Da sie die Anleihe nicht direkt vom Staat, sondern von Finanzmarktakteuren gekauft hat, bezeichnet man den Kauf als »Sekundärmarktkauf«. Würde sie direkt den Staat ansprechen und ihr großes Interesse an einer Anleihe bekunden, wäre dies ein Agieren am Primärmarkt. Das darf die EZB jedoch nicht. Man sagt, es sei eine direkte Staatsfinanzierung und damit laut EU-Statuten unzulässig. De facto besteht aus Sicht des Staates kein Unterschied, ob die EZB am Primär- oder am Sekundärmarkt handelt. Aus Sicht der Banken schon.
    Für das Bankensystem ist die EZB also die sprichwörtliche gute Mutter. Sie gewährt erstens Gelder zu Vorzugszinsen. Den Banken fällt es angesichts der niedrigen Refinanzierungskosten so natürlich sehr leicht, unterm Strich Gewinne einzufahren. Und zweitens wird über die Staatsanleihenankäufe der guten Mutter auch noch das Risiko eliminiert. Eine Bank kann also zum Beispiel einen Refinanzierungskredit zu 0,75 Prozent aufnehmen und mit diesem Geld die 5,75-Prozent-Staatsanleihe eines schwächelnden Eurolandes erwerben. Zinsmarge: 5 Prozent. Kommt das schwächelnde Euroland weiterhin nicht so richtig in Schwung, verhindert der Staatsanleihenkauf der EZB am Sekundärmarkt ein schmerzhaftes Absinken des Kurses. Die Zinsmarge bleibt erhalten und mit ziemlicher Sicherheit ist dank der EZB-Nachfrage sogar noch ein Kursgewinn bei der Anleihe drin.
    Damit nicht genug. Es gibt auch noch ELA. Die E mergency L iquidity A ssistance stellt eine bequeme Art der Selbstfinanzierung dar. ELA dient der Liquiditätsausstattung klammer Banken. Das Programm läuft über die nationalen Zentralbanken. Speziell in Griechenland oder Zypern erfreute es sich in der letzten Zeit großer Beliebtheit. ELA ist im Prinzip ein Notfallkredit; da die Mittel nicht mehr über die EZB laufen, versorgt sich jetzt das Bankensystem eines Staates über interne Wege mit Geld. Das könnte zum Beispiel wie folgt aussehen: Das Finanzministerium eines Krisenlandes gibt eine Anleihe heraus, die von

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